Auszug aus einem - wie ich finde - guten Artikel aus FAZnet vom 16.11.2010:
"Es gibt kein Thema, das im Moment für mehr Erregung sorgt als die Wärmedämmung für Gebäude...
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Die Hysterie des Abschottens
Die Deutschen haben sich sonderbar leichtherzig von der Solidität ihrer Bauten verabschiedet. Gleichzeitig, und das ist eine fast schon perverse Dialektik, steigt der Hang zur Verpanzerung ins Pathologische. Jedes Kind bekommt mit strengen Worten gesagt, dass es, wenn es sich eine Plastiktüte über den Kopf zieht, keine Luft mehr bekommt und stirbt. Für Häuser gilt im Prinzip das Gleiche. Nichts rein- und nichts rauslassen, Abschottung, Käseglockenideologie: Der Vollwärmeschutz zeichnet schon auch das kollektive Psychogramm einer Gesellschaft, die vor Eindringlingen und Infektionen panische Ängste hat. Allerdings kollidiert genau diese hysterische Abschottung gegen alles, was von außen kommt, mit einer anderen kerndeutschen Urangst: der vor dem Schimmel.
Das ist das heute schon massenhaft sichtbare Paradox des deutschen Dämmens: Innen bilden sich Pilze, weil die Feuchtigkeit nicht raus kann, draußen schlägt der Specht seinen Schnabel durch die Dämmstoffplatten und baut sich im Styropor ein Nest. Den deutschen Dämmfuror können diese Widersprüche jedoch schon deshalb nicht stoppen, weil sein Charakter der einer messianischen Sendung ist: Am deutschen Dämmstoffwesen soll das Weltklima genesen.
Die Bemäntelung eines ökonomischen Vorteils
Die Zutaten des mit Wärmedämmverbundsystemen eingeschweißten Hauses sind nicht weniger unökologisch: Um das Klima zu schützen, werden ganze Ölfelder mit gigantischem Aufwand in Polystyrol-Hartschaum, Polystyrolextruder-Schaum oder Polyurethan-Hartschaum verwandelt; es ist Kunststoff, der hinter dem Putz als Dämmungsmaterial für ökologische Korrektheit sorgen soll. Der Vollwärmeschutz, der das Klima schonen will, ist also schon in der Herstellung Teil des globalen Energieproblems, das er lösen soll - was mit einer Hartnäckigkeit ignoriert wird, hinter der andere, nämlich rein kommerzielle Interessen stehen.
Es lohnt sich, bei der Debatte um den Vollwärmeschutz auch einmal die Interessen des sogenannten Handwerks in den Blick zu nehmen. Eine klassische, doppelschalige, Klima- und atmungsaktive Backsteinwand zu Mauern kostet Zeit und Geld. Für den Generalunternehmer sind die Gewinnspannen bei einem Bau, der in Wärmedämmverbundsystem-Technik errichtet wird, immens viel höher: Wer einmal gesehen hat, in was für einem Tempo eine Handvoll Maurer mit koffergroßen Industriesteinen eine Wand hochzieht; in welch einem rasanten Tempo auf diese Wand dann Dämmstoffplatten aufgedübelt oder gern auch aufgeklebt (genau: geklebt, herzlichen Gruß an die Klimaschützer) werden, bevor ein mit einer Spritzkanone bewaffneter Haufen desolater Putzer in wenigen Stunden Armierungsmörtel und Oberputz draufknallt: Wer sieht, dass man ein ganzes Haus auf diese Weise fünfmal so schnell baut, dieses Haus dann aber trotzdem fast genauso teuer ist wie ein klassischer Ziegelbau, der versteht auch, warum fast nur noch so gebaut wird: Der ökologische Aspekt dient nur zur Bemäntelung eines ökonomischen Vorteils.
In zehn Jahren kommt alles runter
Der sichtbarste Erfolg der Vollwärmedämmung von Häusern ist die Tatsache, dass der Chef der Putzer zur Schadensbesichtigung mit dem neuesten Porsche Cayenne aufs Grundstück rollt, wenn der ganze Mist nach kurzer Zeit durchfeuchtet ist oder herunterfällt; Vollwärmeschutz hilft vor allem den Portemonnaies der Bauunternehmer.
„Nachhaltig“, das zweite wichtige Wort, ohne das heute nichts mehr gebaut werden kann, nachhaltig ist das jedenfalls nicht: Denn anders als beim eingeschweißten Käse ist das plastikummantelte Haus nicht für große Haltbarkeit bekannt. Mit ziemlicher Sicherheit ist die gesamte Welt der Neubauten in zehn Jahren eine hausförmige Sondermülldeponie: Die Polystyrolplatten Schüsseln auf, zwischen der Dämmung und dem Außenputz fällt Tauwasser aus, das wegen des hohen Wasserdampfdiffusionswiderstands von Außenputz und Anstrich nicht vollständig verdunsten kann. Der Putz reißt, der Dämmstoff feuchtet langsam durch, verliert seine Dämmwirkung, und in zehn Jahren kommt alles runter, gerne auch von allein. Fassaden gehörten bis vor kurzem zu den wenigen Dingen, die man nicht wegwerfen konnte und musste; die Vollwärmedämmung ändert das...."
Freundliche Grüße