Befreiung § 31 Baugesetzbuch: Dachneigung, Dachform, Dachaufbauten

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A

Apolyxo

Hallo liebe Hausbau-Gemeinde

Ich bräuchte mal eine unverbindliche Einschätzung unserer Erfolgsaussichten auf Befreiung nach § 31 Baugesetzbuch.

Ich erkläre mal die derzeitige Situation: Auf dem fraglichen Grundstück selber steht aktuell ein Einfamilienhaus mit Krüppelwalmdach, dass aber wegen Leerstands/Alter/Zustand abgerissen werden müsste.

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Als der Plan 1977 aufgestellt wurde, gab es drumherum im Grunde keine weitere Bebauung (erkennbar an der fehlenden Schraffierung der Gebäude).

Festsetzungen gibt es diese:

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Mich wundert diese Planung etwas, denn außer bei den im Plan sichtbaren zwingend 2-Geschossigen Mehrfamilienhäusern, ist im kompletten weitem und nahen Umfeld sowie ab dem südlichen Grundstück eine typische Siedlungsbebauung mit 1-geschossigen Einfamilienhäusern und entsprechenden Satteldächern von ca. 40-50° Dachneigung. Auch wurde das einzige existierende Haus einfach mit einer völlig anderen Hausart überplant, die sich dazu nicht einmal in die Umgebung einfügt.

Hier gut erkennbar: Die Siedlungsbebauung geht noch viele Hundert Meter südlich und nördlich weiter.
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Wir würden uns bei einem Neubau gerne an die bestehende Bebauung des Grundstücks anlehnen und kein Mehrparteienhaus errichten.

M.E. müsste eine Befreiung prinzipiell doch möglich sein?

Wir würden uns hier eigentlich ein Einfamilienhaus mit steilerer Dachneigung 45-50° wünschen. Der Bebauungsplan gibt 26-32° vor.

Am liebsten mit einem Krüppelwalmdach (wie es ja aktuell schon der Fall ist). Der Bebauungsplan gibt Satteldach vor.

Zu guter Letzt würden wir uns noch Giebelgauben wünschen. Dachaufbauten sind in direkter Umgebung im Grunde auf jeden Einfamilienhaus erkennbar. Der Bebauungsplan verbietet diese aber.

Grundsätzlich sollten doch alle diese Wünsche städtebaulich vertretbar sein. Mehr noch: Weil das Haus viel kleiner ausfallen würde als die "Giganten" im Norden des Hauses, würde es sich mit steilerer Dachneigung und Dachaufbauten besser in die Umgebung einfügen, als ein Einfamilienhaus mit flacher Neigung. Die Firsthöhe wäre trotz steilerer Dachneigung auch deutlich geringer als die theoretisch mögliche Firsthöhe, da wir ja keine 6,50 Meter Traufhöhe für ein Einfamilienhaus benötigen. Es wären nach Plan theoretisch über 13 Meter Firsthöhe möglich.

Bezüglich der Dachform gibt es in der näheren Umgebung (< 200 Meter) Flachdächer, 2 Krüppelwalmdächer, Satteldächer und Walmdächer. Insofern also ohnehin keine einheitlichen Dachformen.
 
E

Escroda

im kompletten weitem und nahen Umfeld
Mit dem Umfeld außerhalb des Bebauungsplans kannst Du erst argumentieren, wenn es Dir gelungen ist, die Aufhebung des Bebauungsplan zu erwirken. Im Moment existiert verbindliches Planungsrecht, so dass Dir nur §31 Baugesetzbuch für die Durchsetzung deiner Wünsche bleibt. Satz 1 scheint ja nicht zuzutreffen. Ausnahmen kommen somit nicht in Frage. Jetzt müssen die Grundzüge der Planung ermittelt werden. Dazu benötigt man die Begründung zum Bebauungsplan. Von allen Festsetzungen, die darin ausdrücklich erwähnt sind, ist nur schwer zu befreien.
Auch wurde das einzige existierende Haus einfach mit einer völlig anderen Hausart überplant
"Einfach" hieße, dass das Vorhandensein dieser Bestandsbebauung in der Begründung zum Bebauungsplan unerwähnt bliebe. Das würde dann auch die Chancen auf Befeiung erhöhen.
Grundsätzlich sollten doch alle diese Wünsche städtebaulich vertretbar sein.
Sehe ich nicht. Das städtebauliche Konzept des Bebauungsplans beinhaltet anscheinend eine zweigeschossige Riegelbebauung mit Satteldächern entlang der Verkehrsflächen und eine eingeschossige "Hinterlandbebauung". Im Luftbild schwer zu erkennen aber es sieht so aus, als wäre das auch so realisiert worden. Je nach dem, wie klar das städtebauliche Konzept begründet wird, dürften deine Wünsche schwer zu erfüllen sein.

Ich empfehle eine planungsrechtliche Bauvoranfrage von einem erfahrenen Architekten, der sich mit dem Bebauungsplan intensiv befasst, am Besten örtlich gut vernetzt ist, "seine" Pappenheimer auf'm Amt kennt und weiß, welche Worte er wählen muss.
 
A

Apolyxo

@Escroda

Vielen lieben Dank für die Antwort! Ich werde dann versuchen an die Begründung heranzukommen. Bauvoranfrage dachte ich mir schon und wird auf jeden Fall vorher gemacht.

"Einfach" hieße, dass das Vorhandensein dieser Bestandsbebauung in der Begründung zum Bebauungsplan unerwähnt bliebe. Das würde dann auch die Chancen auf Befeiung erhöhen.
Nur falls du es zur Hand hast: Dazu gibt es vermutlich auch Urteile?

Oder ist das einfach nur, weil man dann mit einer Befreiung logischerweise nicht die Grundzüge der Planung berühren kann, wenn diese das aktive Überplanen eines Bestandsbaus völlig ignoriert?

Das städtebauliche Konzept des Bebauungsplans beinhaltet anscheinend eine zweigeschossige Riegelbebauung mit Satteldächern entlang der Verkehrsflächen und eine eingeschossige "Hinterlandbebauung".
Ja, prinzipiell stimmt das. Kann denn eine Dachform/Dachneigung überhaupt von den Grundzügen der Planung erfasst werden? Oder geht es dabei nicht zumeist um Geschossflächenzahl und Grundflächenzahl sowie Baugrenzen und Geschosse? Weiß du da mehr?


Mit dem Umfeld außerhalb des Bebauungsplans kannst Du erst argumentieren, wenn es Dir gelungen ist, die Aufhebung des Bebauungsplan zu erwirken.
Ich wollte damit nur argumentieren, dass eine Befreiung durch § 31 Abs. 2 Nr. 2 Baugesetzbuch deshalb städtebaulich vertretbar sein könnte. Oder zieht das Argument der näheren Umgebung dafür hier nicht, weil diese Beispiele nicht im Bebauungsplan liegen? Auch kann man doch eventuell von einer gewissen Atypie sprechen, weil es sich um das einzige im Bebauungsplan existierende Haus handelt.

Das alles setzt natürlich voraus, dass wir hier nicht die Grundzüge der Planung berühren würden. Dann wäre die Befreiung wohl unmöglich.
 
E

Escroda

Kann denn eine Dachform/Dachneigung überhaupt von den Grundzügen der Planung erfasst werden?
Ja. Bei einer Erweiterung am Rande eines besonders charakteristischen Ortsteils kann z.B. die Akteptanz der Planung bei den "Ureinwohnern" nur durch strenge gestalterische Einschränkungen erreicht werden. Diese Besonderheit muss dann ausführlich begründet werden.
Oder geht es dabei nicht zumeist um Geschossflächenzahl und Grundflächenzahl sowie Baugrenzen und Geschosse?
Da müsste mal einer eine statistische Erhebung machen. Mir ist nicht bekannt, welche Größen wie oft zu den Grundzügen der Planung gehören. Wichtig sind die Motivation, die zu der Planung geführt hat, die Zielsetzung und die Abwägung aller anderen Belange, z.B. Umweltschutz. Besteht in einer Kommune große Nachfrage nach Grundstücken für junge Familien und es sind keine auf dem Markt verfügbar, wird man nach Entwicklungsflächen suchen. Dabei sind dann die Anforderungen an die Festsetzungen und Ausgleichsmaßnahmen von einer Waldfläche grundlegend anders als die eines alten Kasernengeländes. Und dies sollte sich dann auch in der Begründung widerspiegeln.
Oder zieht das Argument der näheren Umgebung dafür hier nicht, weil diese Beispiele nicht im Bebauungsplan liegen?
Richtig. Umgebung ist nur bei Vorhaben nach §34 Baugesetzbuch wichtig. Oder innerhalb desselben Bebauungsplangebietes mit gleichen Festsetzungen, wenn schon jemand von genau dem befreit wurde, wo man auch eine Befreiung begehrt. Bei einem rechtskräftigen Bebauungsplan gilt §30 Baugesetzbuch. Die Gründe für Abweichungen können daher nicht im benachbarten Planungsrecht gefunden werden, sondern nur innerhalb der räumlichen Begrenzung des betroffenen Bebauungsplan.
Auch kann man doch eventuell von einer gewissen Atypie sprechen, weil es sich um das einzige im Bebauungsplan existierende Haus handelt.
Nein. Das Haus ist ja im Bebauungsplan dargestellt. Hier ist klar eine andere Bebauung beabsichtigt. Würde mich wundern, wenn das in der Verfahrensakte nicht ausdrücklich erwähnt wäre. Der damalige Eigentümer hätte im Aufstellungsverfahren seine Bedenken äußern müssen und bei Nichtberücksichtigung seine Rechte einklagen müssen.

Du hast zwar die Situation beschrieben und auch deine Wünsche. Einen Grund, warum deine Wünsche schwerer wiegen sollen als die Festsetzungen des Bebauungsplan, habe ich aber nicht gefunden. Selbst wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt würden: Das Wohl der Allgemeinheit erfordert die Abweichung sicher nicht und auch führte die Errichtung eines zweigeschossigen Satteldachhauses statt eines eingeschossigen Walmdachhauses nicht zu einer unbeabsichtigten Härte. Bleibt also nur die städtebauliche Vertretbarkeit. Da im Luftbild keine Krüppelwalmdächer erkennbar sind und die anderen Zweigeschosser bplankonform dazustehen scheinen, würde ich mich als Entscheider mit einer Befreiung schwer tun. Über Gauben oder Zwerchhäuser könnte man ja verhandeln. Aber vielleicht fällt deinem Planer noch was Gutes ein.
 
A

Apolyxo

Wie zuvor: Vielen Dank für deine fachlich ausgezeichnete Antwort!

Vielleicht noch als kurze Anmerkung: Die zwingende 2-Geschossigkeit wird vermutlich nur schwer zu befreien sein - weshalb es mir jetzt eher um Dachneigung/Form/Aufbauten und eine Befreiung von diesen Festsetzungen geht.

Wichtig sind die Motivation, die zu der Planung geführt hat, die Zielsetzung und die Abwägung aller anderen Belange, z.B. Umweltschutz.
Das heißt, wenn sich z.B. in der Begründung nichts darüber findet, wieso eine bestimmte Dachform/Dachneigung hier planerisch notwendig ist, dann wäre das zumindest positiv für eine Befreiung abzuwägen? Dann wären bezüglich dieses Punktes zumindest die Grundzüge der Planung nicht berührt. Zumal sich die Dachneigung ja auch von der 1977 bestehenden Bebauung im Umfeld unterscheidet.

Richtig. Umgebung ist nur bei Vorhaben nach §34 Baugesetzbuch wichtig. Oder innerhalb desselben Bebauungsplangebietes mit gleichen Festsetzungen, wenn schon jemand von genau dem befreit wurde, wo man auch eine Befreiung begehrt. Bei einem rechtskräftigen Bebauungsplan gilt §30 Baugesetzbuch. Die Gründe für Abweichungen können daher nicht im benachbarten Planungsrecht gefunden werden, sondern nur innerhalb der räumlichen Begrenzung des betroffenen Bebauungsplan.
Zumindest um zu prüfen, ob die "Minimalanforderungen" für die Erfüllung der Grundzüge der Planung erfüllt sind, kann doch eine fiktive Anwendbarkeit nach § 34 Baugesetzbuch prüfen?

"Auch ein Vergleich mit § 34 Abs. 1 Baugesetzbuch kann bei der Beurteilung dieser Voraussetzung hilfreich sein. Würde sich das Vorhaben bei einer - hier unterstellten - Prüfung nach § 34 Abs. 1 Baugesetzbuch nicht einfügen und Spannungen auslösen, die nur durch eine Planung zu bewältigen wären, sind die Grundzüge der Planung berührt."

Jacqueline Charlier
in: Rixner/Biedermann/Charlier, Systematischer Praxiskommentar Baugesetzbuch/Baunutzungsverordnung, 3. Aufl. 2018, § 31 Baugesetzbuch Ausnahmen und Befreiungen - hier bezüglich "Grundzüge der Planung"

Ich warte dann jetzt erst einmal die Begründung zum Bebauungsplan ab.
 
E

Escroda

Das heißt, wenn sich z.B. in der Begründung nichts darüber findet, wieso eine bestimmte Dachform/Dachneigung hier planerisch notwendig ist, dann wäre das zumindest positiv für eine Befreiung abzuwägen?
Ja. Ohne Begründung wäre die Festsetzung zufällig, weil der Stadtplaner nur eine Idee vom Aussehen des Quartiers hatte, die aber nicht so wichtig ist, dass sie die Freiheit des Bauherren einschränken soll (§903 Baugesetzbuch). Die Dachform wäre nach §34 Baugesetzbuch sowieso nicht vergleichbar, weil sie durch örtliche Bauvorschriften nach Landesbauordnung bestimmt wird und nicht durch Festsetzungen nach §9 Baugesetzbuch. Das Baugesetzbuch eröffnet nur die Möglichkeit die örtlichen Bauvorschriften zusammen mit dem Bebauungsplan zu erlassen.
Zumindest um zu prüfen, ob die "Minimalanforderungen" für die Erfüllung der Grundzüge der Planung erfüllt sind, kann doch eine fiktive Anwendbarkeit nach § 34 Baugesetzbuch prüfen?
Ich kenne den zitierten Kommentar nicht und das Textfragment ist so ohne Zusammenhang für mich nur schwer verständlich. Was mir hier fehlt ist der Bezug zum Geltungsbereich des Bebauungsplan. Dein Grundstück liegt ja genau an der Geltungsbereichsgrenze. Diese bei der fiktiven Anwendung von §34 außer Acht zu lassen und damit unbeplante oder anders beplante Bereiche mit einzubeziehen, halte ich für unzulässig.
Tatsächlich kommt die fiktive Betrachtung nach §34 als Anhaltspunkt für die Ermittlung der Grundzüge der Planung in Betracht (BVerwG, 09.06.1978, 4 C 54.75). Doch auch in diesem Urteil ist nur von "unterstützender Heranziehung" die Rede und ein Raumbezug wird nicht erwähnt. Daher bleibe ich bei meiner Meinung, dass nur innerhalb des Geltungsbereichs geschaut werden darf und damit sehe ich keine Voraussetzung für deine Wünsche erfüllt.
 
Zuletzt aktualisiert 22.12.2024
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