Befreiung § 31 Baugesetzbuch: Dachneigung, Dachform, Dachaufbauten

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A

Apolyxo

Die Dachform wäre nach §34 Baugesetzbuch sowieso nicht vergleichbar, weil sie durch örtliche Bauvorschriften nach Landesbauordnung bestimmt wird und nicht durch Festsetzungen nach §9 Baugesetzbuch. Das Baugesetzbuch eröffnet nur die Möglichkeit die örtlichen Bauvorschriften zusammen mit dem Bebauungsplan zu erlassen.
Kannst du das erläutern? Was heißt das konkret hier?
 
E

Escroda

Konkret heißt das hier: Selbst wenn die geltungsbereich-überschreitende fiktive Annahme von §34 Baugesetzbuch anwendbar wäre - und das soll ja dein Argument für die Zulassung der Befreiung(en) werden - , so wäre das nicht auf die Baugestaltung anwendbar, da Baugestaltung kein Kriterium des 34 Baugesetzbuch ist. Dein Festsetzungsausschnitt verdeutlicht es: Links stehen die Festsetzungen nach Baugesetzbuch, Art und Mass der baulichen Nutzung sowie Bauweise, also genau die Kriterien des §34, und rechts stehen die Festsetzungen der Baugestaltung, heute auf Grundlage des §89 Bauordnung NRW (Abweichungen §69).
Jetzt müsste man noch einen versierten Baurechtler fragen, ob nicht vielleicht sogar die Bestimmungen zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bebauungsplan zum Tragen kommen. Im §31 BBauG 1977er Fassung und §103 der Bauordnung NW 1970 kommt die städtebauliche Vertretbarkeit gar nicht vor. Aber in diese Diskussion können wir ja einsteigen, wenn die Behörde deinen Abweichungsantrag tatsächlich abgelehnt hat.
 
A

Apolyxo

Konkret heißt das hier: Selbst wenn die geltungsbereich-überschreitende fiktive Annahme von §34 Baugesetzbuch anwendbar wäre - und das soll ja dein Argument für die Zulassung der Befreiung(en) werden
Es würde ein Argument dafür werden (hoffentlich nicht das einzige), dass zumindest schon einmal die Grundzüge der Planung nicht berührt werden.

Jetzt müsste man noch einen versierten Baurechtler fragen, ob nicht vielleicht sogar die Bestimmungen zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bebauungsplan zum Tragen kommen. Im §31 BBauG 1977er Fassung und §103 der Bauordnung NW 1970 kommt die städtebauliche Vertretbarkeit gar nicht vor.
Meines Wissens nach gilt tatsächlich dieser "statische" Verweis. Ausnahme ist wohl lediglich wenn (sehr selten) dynamisch verwiesen wurde.



Weißt du, ob die Festsetzung der Dachneigung/Dachform im Bebauungsplan als Festsetzung nach § 9 Baugesetzbuch überhaupt rechtlich möglich ist?

Das konntest du im Screenshot nicht sehen, deshalb hier die breitere Version:

befreiung-31-baugb-dachneigung-dachform-dachaufbauten-379463-1.png



Ich frage, weil das ja laut gängiger Rechtsprechung nicht möglich ist?

"Denn bundesrechtlich steht der Gemeinde nur der in § 9 Abs. 1 Baugesetzbuch abschließend umschriebene Festsetzungskatalog zur Verfügung. Regelungen über die Dachform oder die sonstige äußere Gestaltung baulicher Anlagen - mit Ausnahme von Regelungen über die Gebäudestellung (Firstrichtung) gehören nicht dazu, sie können auf der Grundlage von § 9 Abs. 1 Baugesetzbuch oder der Baunutzungsverordnung daher nicht getroffen werden (vgl. VGH Bad.-Würth., Urteile vom 05.10.2006 und vom 22.04.2002, a.a.O. sowie BVerwG, Urteil vom 11.05.2000 - 4 C 14.98 -, NVwZ 2000, 1169). "

VGH Baden-Württemberg Urteil vom 11.3.2009, 3 S 1953/07
 
A

Apolyxo

@Escroda
Was ich im Grunde meine ist:

Ist das Fehlen eines Verweis auf die Bauordnung NRW bzw. eine Markierung als "örtliche Bauvorschrift" hier ein Fehler und die Festsetzung daher ungültig?

Und selbst falls nicht:

Und ist dann die Diskussion zu § 31 Baugesetzbuch bezüglich Dachneigung, Dachform ohnehin hinfällig? Reden wir dann nicht eigentlich über Abweichungen nach § 69 Bauordnung NRW? Ist dort nicht ein bedeutend größerere Raum für Abweichungen/Befreiungen von örtlichen Bauvorschriften gegeben?
 
E

Escroda

Meines Wissens nach gilt tatsächlich dieser "statische" Verweis.
So einfach wie bei der Baunutzungsverordnung ist das nicht, da entsprechende Überleitungsvorschriften im Baugesetzbuch fehlen. Bezüglich der Anwendbarkeit von Landesrecht gibt es nach wie vor unterschiedliche Auffassungen, aber selbst die aus 2018 stammende Entscheidung in NRW zur Bejahung des statischen Verweises bezieht sich nur auf die mit der Baunutzungsverordnung in Verbindung stehenden Vorschriften wie dem Geschossigkeitsbegriff.
Weißt du, ob die Festsetzung der Dachneigung/Dachform im Bebauungsplan als Festsetzung nach § 9 Baugesetzbuch überhaupt rechtlich möglich ist?
Ja. Das ist nicht möglich. Dafür gibt es §89 Bauordnung NRW. Das war auch damals nach BBauG nicht möglich. Dafür gab es §103 Bauordnung NW.
Ist das Fehlen eines Verweis auf die Bauordnung NRW bzw. eine Markierung als "örtliche Bauvorschrift" hier ein Fehler und die Festsetzung daher ungültig?
Wenn nirgendwo auf den zur Satzung gehörenden Dokumenten ein Hinweis auf die Rechtsgrundlage "Bauordnung NW" zu finden ist, ist das ein Fehler. Den würde ich aber als unerheblich einstufen.
Und ist dann die Diskussion zu § 31 Baugesetzbuch bezüglich Dachneigung, Dachform ohnehin hinfällig?
Nein. §9, Absatz 4 Baugesetzbuch:
(4) Die Länder können durch Rechtsvorschriften bestimmen, dass auf Landesrecht beruhende Regelungen in den Bebauungsplan als Festsetzungen
aufgenommen werden können und inwieweit auf diese Festsetzungen die Vorschriften dieses Gesetzbuchs Anwendung finden.

Reden wir dann nicht eigentlich über Abweichungen nach § 69 Bauordnung NRW?
Nein, §89, Absatz 2 Bauordnung NRW
(2) Örtliche Bauvorschriften können auch durch Bebauungsplan oder, soweit das Baugesetzbuch dies vorsieht, durch andere Satzungen nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen werden. Werden die örtlichen Bauvorschriften durch Bebauungsplan oder durch eine sonstige städtebauliche Satzung nach dem Baugesetzbuch erlassen, so sind die Vorschriften des Ersten und des Dritten Abschnitts des Ersten Teils, des Ersten Abschnitts des Zweiten Teils, die §§ 13, 13a, 13b, 30, 31, 33, 36, 214 und 215 Baugesetzbuch entsprechend anzuwenden.
Ist dort nicht ein bedeutend größerere Raum für Abweichungen/Befreiungen von örtlichen Bauvorschriften gegeben?
Kann ich nicht beurteilen.
 
A

Apolyxo

Jetzt sehe ich erst, was du meinst. Der Punkt "statische" oder "dynamische" Verweisung macht das jetzt echt kompliziert.

§ 103 Bauordnung NRW 1970 wird im Bebauungsplan am Rand seitlich erwähnt. Insofern also kein Formfehler - habe ich gerade entdeckt.

Leider liegt mir auch nach viel Recherche die Bauordnung NRW 1970 nicht vor. In der Version von 2000 war der § 89 noch als § 86 Abs. 4 enthalten und die Regelung lautete anders. Hast du Zugriff darauf?

"(4) Örtliche Bauvorschriften können auch als Festsetzungen in einen Bebauungsplan im Sinne von § 8 oder § 12 des Baugesetzbuches aufgenommen werden; in diesem Fall sind die Vorschriften des Baugesetzbuches über die Aufstellung, Änderung, Ergänzung und Aufhebung der Bebauungspläne einschließlich ihrer Genehmigung und ihrer Sicherung (§§ 1 bis 18 Baugesetzbuch) sowie über die Wirksamkeitsvoraussetzungen (§§ 214 bis 216 Baugesetzbuch) anzuwenden. "
-
Bauordnung NRW 2000

Und laut Gesetzesbegründung zur Änderung 2018:

"Der neu gestaltete § 89 Absatz 2 Satz 1 entspricht dem Grunde nach § 86 Absatz 4 Satz 1 Bauordnung 2000, öffnet aber die Ermächtigung auch für diejenigen Fälle, in denen örtliche Bauvorschriften nach Bauplanungsrecht auch in andere Satzungen nach dem Baugesetzbuch nach dessen Vorschriften aufgenommen werden können. Satz 2 bewirkt, dass dann, wenn eine örtliche Bauvorschrift durch Bebauungsplan oder durch sonstige städtebauliche Satzung erlassen wird, die einschlägigen Vorschriften des Bauplanungsrechts einheitlich auch für die in dem Bebauungsplan oder der sonstigen städtebaulichen Satzung enthaltenen örtlichen Bauvorschrift gelten; damit werden auch schwierige Abgrenzungsfragen zwischen Städtebau- und (ortsgestalterischem) Bauordnungsrecht vermieden. "
 
Zuletzt aktualisiert 22.12.2024
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