Architektenleistung - was ist wann üblich?

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B

Budenzauber

Hallo!

Wir bauen ein Einfamilienhaus um und sanieren es energetisch. Die ganze Sache läuft seit Januar 2024 mit einem Architekten. Anfangs lief alles zu unserer vollsten Zufriedenstellung, bei den Entwürfen zum Umbau ist es ihm z.B. sehr gut gelungen, unsere Vorstellungen umzusetzen.

Mittlerweile haben wir aber den Eindruck, dass es immer schleppender verläuft. Klar kann man in der HOAI genau nachlesen, was die Grundleistungen jeder Phase sind. Aber was genau davon ist für den Bauherren überhaupt sichtbar? Wir haben den Eindruck, dass der ganze Vorgang bisher sehr intransparent ist. Daher wäre ich über Einschätzungen dankbar, ob alles noch im Rahmen des normalen ist oder ob wir etwas strenger hinschauen müssen?

Grundlagenermittlung und Vorplanung hat der Architekt entgeldfrei im Voraus gemacht, den Architektenvertrag haben wir dann über die Leistungsphase 3, sowie 5 bis 8 abgeschlossen. Auf Basis der Kostenschätzung aus Leistungsphase 2 ist ein Festpreis von 29.125 € netto vereinbart, unabhängig davon wie sich die tatsächlichen Baukosten entwickeln.

Bisher haben wir in unregelmäßigen Abständen Teilrechnungen erhalten. Inklusive der letzten Rechnung haben wir somit 100% von Leistungsphase 3 (Entwurfsplanung), 80% von Leistungsphase 5 (Ausführungsplanung) und 30% von Leistungsphase 6 (Vorbereitung der Vergabe) bezahlt.

Was uns vor allem stutzig macht ist, dass wir trotz mehrfacher Nachfrage immer noch keine Kostenberechnung haben, die ja eigentlich fester Bestandteil von Leistungsphase 3 sein sollte. Die von ihm angegebenen Gründe, warum es noch keine Kostenberechnung gab, waren vielfältig, z.B. noch fehlende Angebote von Handwerkern oder weil wir uns ja noch nicht entschieden hätten wie viel Fliesenspiegel wir haben wollen. Neben der Kostenberechnung fehlt auch ein Bauzeitenplan.

Hier mal eine Auflistung der bisher erbrachten Leistungen, soweit für uns sichtbar:
- Kostenschätzung aus Leistungsphase 2 (auf zweiter Ebene der Kostengliederung, Stand: Februar 2024)
- Grundrisse (EG, OG, Schnitt, Systemschnitt) - Maßstab 1:50
- Fundamentplan 1:50
- Grundriss Dach (1:50) mit Schnitt (1:20) und Systembild
- Ansichten Ost/West, Nord/Süd (1:50)
- Wohn- und Nutzflächenberechnung
- Sanitärplanung (1:50)
- Fensterauflistung Bestand
- Leistungsverzeichnis Fensterbauten

Von seinen Erzählungen weiß ich, dass er zudem von zwei Dachdeckern und von zwei Fensterbauern Kostenvoranschläge eingeholt hat. Bei den anderen Gewerken laufen wohl noch die Anfragen. Er hat mir versichert, dass Anfang August mit den Aushubarbeiten (für die Fundamentdämmung) und den Abrissarbeiten begonnen werden kann. Aber Angebote oder gar Verträge dazu habe ich bisher noch nicht gesehen.

Bewegen wir und mit den bisher erbrachten Leistungen im Rahmen des Üblichen? Oder besteht Anlass zur Sorge?
 
B

Budenzauber

Jetzt hat er endlich eine Kostenberechnung geliefert und die erklärt wohl auch, warum er sich so lange bedeckt gehalten hat. Der Gesamtaufwand hat sich gegenüber der Kostenschätzung von 426.800 € auf satte 544.300 € erhöht! Das entspricht einem Anstieg von 27,5%!

Und das ganze kommt jetzt zu einem Zeitpunkt wo die finanzielle Planung abgeschlossen war, auch weil er uns immer wieder versicherte, dass sich die Kosten im Rahmen der Kostenschätzung entwickeln würden. Irgendwie werden wir die Finanzierung trotzdem hinbekommen. Aber ich habe jetzt das Gefühl, dass er bei der Kostenplanung nicht sauber arbeitet und dabei haben die Baumaßnahmen ja nicht einmal begonnen.

Ich habe auch nicht den Eindruck, dass die Kosten aufgrund von Sonderwünschen oder Unvorhersehbarem gestiegen sind. Z.B. wurde für den Estrich in der Schätzung noch 5000 € angesetzt, jetzt sind es 9000 €. Da ist ja nicht mehr Bodenfläche hinzugekommen. Wie kann jemand der Erfahrung am Bau haben müsste denn um fast das Doppelte daneben liegen? Die Wärmedämmung für die oberste Geschossdeckung fehlte in der Kostenschätzung offenbar noch komplett (13.500 €), ebenso die Perimeterdämmung (5500 €). Dabei war zu dem Zeitpunk noch EH40 geplant, inzwischen sind wir bei EH70.

Und ganz generell gefragt: Erscheinen euch die Kosten von knapp 550k € für die Sanierung eines freistehenden Einfamilienhaus (Bj 1975) zu einem Effizienzhaus 70 realistisch?
 
N

nordanney

Erscheinen euch die Kosten von knapp 550k € für die Sanierung eines freistehenden Einfamilienhaus (Bj 1975) zu einem Effizienzhaus 70 realistisch?
Bei 250-300qm Wohnfläche auf jeden Fall. Warum nur 70?

Mit 90% Eigenleistung habe ich für KfW 55 gerade gute 120k inkl. Außenanlagen bezahlt (200qm, davon 120qm auch innen auf Neubaustandard - Ursprungszustand Mitte 60er). Da ist also eine riesige Spanne drin.

Erzähl mehr zum Haus und was gemacht wird. 100qm Haus - dann ist es völlig überteuert. 400qm Haus, dann ist die Schätzung zu niedrig. Wie ist Euer gewünschter Qualitätsstandard. Usw.
Eine Kernsanierung (also wirklich alles neu machen) liegt nicht so weit weg vom Neubau, aber unter 2.000€/qm schaffst Du es nicht, wenn alles vom Fachmann gemacht wird.
 
B

Budenzauber

Die Wohnfläche beträgt 173 qm, also wären wir jetzt bei 3.146€/qm. Das Haus hat neben Wohn- und Schlafzimmer noch zwei Kinderzimmer, ein Gästezimmer und ein Arbeitszimmer und steht im Raum Köln/Bonn. Unseren gewünschten Qualitätsstandard würde ich als (gehobene) Mittelklasse bezeichnen. Aber schriftlich festgehalten ist dazu nichts. Gibt es dazu etwa auch Normen?

Ja, es ist eine Kernsanierung, inklusive neuer Böden (Fußbodenheizung), Fenster, Dämmung, Dachdecken. Wir nehmen auch ein paar Änderungen am Grundriss vor, aber das bewegt sich im Rahmen von Wände einreißen und (Trockenbau-) Wände neu einziehen. Elektro- und Sanitär muss komplett neu gemacht werden, dafür muss auch die Bodenplatte an manchen Stellen aufgestemmt werden (11.000 €). Diese Zusatzkosten gegenüber der Kostenschätzung hatte er auch kommuniziert, dagegen fallen aber 24.000 € für Erdarbeiten zur Geothermie weg (weil jetzt doch eine Luft-/Wasser-WP kommt).

Wir bekommen nur EH 70 hin, weil das Haus nicht unterkellert ist, was eine Dämmung der Bodenplatte sehr schwierig macht. Außerdem gibt es diverse schwierige Wärmebrücken. Unsere Energieberaterin die das alles berechnet hat, macht einen sehr kompetenten Eindruck und meint, dass EH 70 auch nur sehr knapp erreichbar ist.

Bei den ersten Terminen war noch die Rede davon, dass wir für ca. 300.000 € "Neubauniveau" erreichen würden. Mit der Kostenschätzung waren wir dann bei 426.000 € und sind jetzt bei 545.000 €, ohne gravierende Änderungen unserer Ansprüche. Ich komme mir ein bißchen so vor, als ob die früheren Zahlen nur dazu dienen sollten, uns als Kunden zu gewinnen. Und frage mich, wo die Kosten am Ende landen sollen, wenn es alle paar Monate teurer wird.
 
N

nordanney

Wir bekommen nur EH 70 hin, weil das Haus nicht unterkellert ist, was eine Dämmung der Bodenplatte sehr schwierig macht.
Verstanden. Da wäre nur VIPs als Dämmung unter dem Estrich eine (teure) Möglichkeit.
Die Wohnfläche beträgt 173 qm, also wären wir jetzt bei 3.146€/qm.
Für eine Kernsanierung inkl. Grundrissänderung und Architektenkosten etc. schon plausibel.
Unseren gewünschten Qualitätsstandard würde ich als (gehobene) Mittelklasse bezeichnen. Aber schriftlich festgehalten ist dazu nichts. Gibt es dazu etwa auch Normen?
Nein.
Allgemein ist gehoben in Richtung: großformatige Fliesen/Parkett, bodentiefe Fenster, Bad mit Dusche und Wanne, umfangreiche Elektroinstallation usw.
Bei den ersten Terminen war noch die Rede davon, dass wir für ca. 300.000 € "Neubauniveau" erreichen würden.
Das hätte dem Architekt klar sein MÜSSEN, dass das nicht funktioniert.
Ich komme mir ein bißchen so vor, als ob die früheren Zahlen nur dazu dienen sollten, uns als Kunden zu gewinnen.
Gut möglich.

Bringt Euch bei den Ausschreibungen mit ein. Fragt selbst Handwerker an, die Ihr vielleicht kennt oder die Euch Bekannte und Freunde empfehlen würden. Da ist sicher noch Einsparpotenzial enthalten.
 
B

Budenzauber

Vielen Dank für die Einschätzung, das hilft mir schonmal sehr weiter! Ja, wir haben z.B. einige bodentiefe Fenster und eine sehr große Fensterfront im Wohnzimmer. Rückt das ganze also eher in den Bereich des Plausiblen. Es erklärt aber leider nicht die eklatante Kostenerhöhung bei manchen Posten (Innenputz: 4800 € => 8000 €, Estrich: 5000 € => 9000 €, Bodenbeläge: 15.300 € => 23.500 €).

Danke auch für den Hinweis auf des Einbringen bei Ausschreibungen. Eigentlich war ja ein Grund den Architekt zu beauftragen, dass wir das nicht selber machen müssen. (Nicht so einfach wegen räumlicher Entfernung, sowie privater und beruflicher Situation.) Das geht sicher auch nur unter Mitwirkung des Architekten, denn um eigene Ausschreibungen zu machen fehlt uns das fachliche Know-How, bzw. Detailwissen zu den Gewerken. Außer einer Fensterliste liegen mir keine Beschreibungen der Gewerke vor.
 
Zuletzt aktualisiert 06.09.2024
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