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Die Deutschen kaufen immer mehr Häuser und Wohnungen auf Pump. Dafür gehen sie sehr langfristige Verpflichtungen ein. Gleichzeitig schmelzen seit Jahren ihre Sicherheiten. Die Entwicklung birgt Risiken.
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Immer mehr Deutsche verwirklichen ihren Traum von den eigenen vier Wänden – und kaufen auf Pump. So ist der Wert der hierzulande an private Haushalte ausgereichten Immobilienkredite auf mehr als 1,2 Billionen Euro angewachsen. Das ist ein Plus von knapp 30 Prozent gegenüber 2011. Und noch etwas ist besonders: Sie gehen deutlich langfristigere Verpflichtungen ein. Mittlerweile laufen fast die Hälfte aller neu abgeschlossenen Darlehen länger als zehn Jahre, das geht aus einer aktuellen Studie der Deutschen Bank hervor.
Dieser Trend ist nicht ganz ungefährlich: Sollten die Zinsen steigen und die Preise für Häuser und Wohnungen fallen, könnte es ungemütlich werden: Die Anschlussfinanzierungen verteuern sich, Kredite drohen auszufallen, Sicherheiten verlieren an Wert. Steigen die Zinsen deutlich bevor der Kredit ausläuft, profitieren zwar die Verbraucher, doch die Banken geraten in Schwierigkeiten: Sie müssen für frisch ausgeliehenes Geld mehr zahlen als sie für die lang laufenden Kredite bekommen. Die Aufsicht ist bereits in Habachtstellung.
Das starke Wachstum an Immobilienkrediten wurde in den vergangenen Jahren vor allem von der guten konjunkturellen Lage und den niedrigen Zinsen angeheizt. Viele Menschen wussten schlicht nicht, wohin mit ihrem Geld. Viele Anlageformen waren unattraktiv, weil sie kaum noch Renditen abwarfen. Und Aktien, die zwar deutlich zulegten, waren vielen Deutschen zu riskant. Sie flüchteten daher lieber in Betongold.
Quelle: Infografik WELT
Das hat zu enormen Preissteigerungen auf dem Immobilienmarkt geführt. So verteuerten sich Wohnungen und Häuser von 2010 bis 2018 um durchschnittlich 50 Prozent, in den Großstädten war es sogar fast eine Verdopplung. Um eine Immobilie zu kaufen, brauchen viele Deutsche daher deutlich höhere Kredite als noch vor zehn Jahren. Gleichzeitig war es selten so günstig sich zu verschulden. So ist laut Berechnungen der Volkswirte der Deutschen Bank die jährliche Zinslast der Haushalte seit 2003 von knapp 54 auf 30,5 Milliarden Euro gesunken.
Besonders im ersten Vierteljahr 2019 erhöhten viele Deutsche ihre Schulden. Sie nahmen 8,8 Milliarden Euro an zusätzlichen Immobilienkrediten auf, 4,2 Prozent mehr als im Vorjahresquartal und der höchste Wert seit der Jahrtausendwende. Geht es so weiter, könnte laut Einschätzung der Deutsche Bank-Experten der Zuwachs an Immobilienkrediten in diesem Jahr insgesamt 55 Milliarden Euro erreichen.
Und diese werden vor allem langfristig sein – das Gros der deutschen privaten Immobilienbesitzer vereinbart nämlich traditionell Laufzeiten von mindestens fünf Jahren. Kurz- und mittelfristige Darlehen schließen nur etwa 2,5 Prozent der Häuslebauer ab. Es lohnt sich aktuell auch kaum, denn langfristige Darlehen sind aktuell sehr günstig und liegen nur ein bis drei Basispunkte über dem Durchschnittszins für alle Immobilienkredite – es geht hier also um geringe Unterschiede bei den Nachkommastellen eines Prozentpunktes.
Quelle: Infografik WELT
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Die variablen Wohnungsbauzinsen liegen seit 2015 sogar über den langfristigen Zinssätzen. Langfristige Kredite haben den Vorteil, dass die deutschen Häuslebauer deutlich ruhiger schlafen können, weil sie Planungssicherheit haben und sich auf absehbare Zeit keine Gedanken über eine Anschlussfinanzierung machen müssen.
Schließlich sind sie aufgrund der überwiegend langfristigen Kreditverträge kaum einem Zinsänderungsrisiko ausgesetzt. Der Anteil der laufenden Immobilienkredite, für welche private Haushalte innerhalb der kommenden zwei Jahre neue Zinskonditionen aushandeln müssen, liegt aktuell unter 13 Prozent, das ist deutlich weniger als in der Vergangenheit.
Quelle: Infografik WELT
Und weil die Zinsen aktuell so niedrig sind, wollen sich viele Deutsche diese so lange wie möglich sichern. Sie verschulden sich daher immer häufiger für länger als zehn Jahre. Ihre Finanzierungen dürften nämlich frühestens ab 2025 auslaufen. Möglicherweise sind ihre Kredite dann vollständig getilgt und das Zinsänderungsrisiko entfällt komplett.
Falls nicht, müssen die Darlehen neu verhandelt werden. Das kann für den einzelnen verschmerzbar sein. Allerdings sind die Experten der Deutschen Bank hier zuversichtlich: Dieses Risiko würde mittelfristig nur einen Teil der Haushalte treffen.
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Für die Banken bedeutet der Anstieg der Kreditvolumen vor allem mehr Geschäft. Allerdings ist der Markt umkämpft, das drückt auf die Margen. Gleichzeitig bekommen die Institute zunehmend Bauchschmerzen und haben zum ersten mal seit drei Jahren ihre Kreditvergabestandards verschärft.
Bislang sanken die geforderten Sicherheiten. 2011 waren über die Hälfte der neuen Immobiliendarlehen in voller Höhe der Kreditsumme mit Grundschulden oder Finanzwerten besichert, jetzt trifft dies nur noch bei gut 40 Prozent der neuen Verträge zu. Die Experten der Deutschen Bank sind sich über die Gründe dafür unsicher. „Möglicherweise verlangen Banken angesichts des allgemeinen Wirtschaftswachstums und der guten Arbeitsmarktsituation seltener vollständige Besicherungen.“
Die Banken müssen Risiken mit mehr Eigenkapital absichern
Trotzdem sehen sie diese Entwicklung kritisch. Schließlich bestehe das Risiko, dass bei einem Ausfall des Kreditnehmers die Bank Verluste erleide. Die Aufsicht hat angesichts wachsenden Kreditvolumens reagiert: Die Banken sollen bis zum Herbst nächsten Jahres ihre Kredite mit zusätzlichem Eigenkapital absichern – mit einen sogenannten antizyklischen Kapitalpuffer.
Als Gründe nannte der Ausschuss für Finanzmarktstabilität neben gestiegener geopolitischer Unsicherheit explizit Risiken aus der Immobilienfinanzierung und das Zinsänderungsrisiko. Bei einer Korrektur der Immobilienpreise würde die Besicherung der Kredite an Wert verlieren. Des weiteren würde durch eine Zinserhöhung die Zinslast der Kreditnehmer steigen.
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Dieser Trend ist nicht ganz ungefährlich: Sollten die Zinsen steigen und die Preise für Häuser und Wohnungen fallen, könnte es ungemütlich werden: Die Anschlussfinanzierungen verteuern sich, Kredite drohen auszufallen, Sicherheiten verlieren an Wert. Steigen die Zinsen deutlich bevor der Kredit ausläuft, profitieren zwar die Verbraucher, doch die Banken geraten in Schwierigkeiten: Sie müssen für frisch ausgeliehenes Geld mehr zahlen als sie für die lang laufenden Kredite bekommen. Die Aufsicht ist bereits in Habachtstellung.
Das starke Wachstum an Immobilienkrediten wurde in den vergangenen Jahren vor allem von der guten konjunkturellen Lage und den niedrigen Zinsen angeheizt. Viele Menschen wussten schlicht nicht, wohin mit ihrem Geld. Viele Anlageformen waren unattraktiv, weil sie kaum noch Renditen abwarfen. Und Aktien, die zwar deutlich zulegten, waren vielen Deutschen zu riskant. Sie flüchteten daher lieber in Betongold.
Quelle: Infografik WELT
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Besonders im ersten Vierteljahr 2019 erhöhten viele Deutsche ihre Schulden. Sie nahmen 8,8 Milliarden Euro an zusätzlichen Immobilienkrediten auf, 4,2 Prozent mehr als im Vorjahresquartal und der höchste Wert seit der Jahrtausendwende. Geht es so weiter, könnte laut Einschätzung der Deutsche Bank-Experten der Zuwachs an Immobilienkrediten in diesem Jahr insgesamt 55 Milliarden Euro erreichen.
Und diese werden vor allem langfristig sein – das Gros der deutschen privaten Immobilienbesitzer vereinbart nämlich traditionell Laufzeiten von mindestens fünf Jahren. Kurz- und mittelfristige Darlehen schließen nur etwa 2,5 Prozent der Häuslebauer ab. Es lohnt sich aktuell auch kaum, denn langfristige Darlehen sind aktuell sehr günstig und liegen nur ein bis drei Basispunkte über dem Durchschnittszins für alle Immobilienkredite – es geht hier also um geringe Unterschiede bei den Nachkommastellen eines Prozentpunktes.
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