B
Bauexperte
Über Earthship
Als Earthship bezeichnet man Gebäude einer bestimmten Bauweise, die nur durch passive solare Wärmegewinne und die Speicherung dieser mittels Masse geheizt oder durch natürliche Luftzirkulation gekühlt werden. Sie zeichnen sich zudem durch eine weitgehende Nutzung natürlicher und recycelter Baustoffe sowie ihre völlige Autarkie hinsichtlich Wärme, elektrischer Energie, Wasser und Abwasser aus.
Besonderes Merkmal ist die Verwendung von Zivilisationsabfällen als Baumaterial. So sind die geschlossenen Nord-, Ost- und Westwände fast immer aus gebrauchten Autoreifen aufgebaut. Diese sind wie Ziegelsteine im Verbund aufgeschichtet und mit komprimierter Erde gefüllt. Die so entstandene Wand dient als tragendes Bauteil und zudem durch ihre große, meist mehrere Tonnen schwere Masse als thermischer Speicher. Die der Sonne zugewandte Südfassade ist dagegen fast vollständig verglast. Die hier entstehenden solaren Wärmegewinne werden in den massiven Bauteilen über Tage und Wochen gespeichert, so dass keine klassische Heizung benötigt wird.
Für die autarke Wasserversorgung wird auf der Dachfläche Regenwasser gesammelt und in Zisternen gespeichert. Durch ein ausgeklügeltes System wird jeder Tropfen Wasser bis zu vier Mal verwendet. Dadurch ist eine autarke Wasserversorgung selbst in ariden Gebieten mit sehr geringen jährlichen Niederschlagsmengen und ohne weitere Wasserzufuhr von außen möglich. Das Regenwasser wird gefiltert und dient als Trink- oder Spülwasser. Anschließend wässert es ein im Haus befindliches Pflanzbeet und wird dadurch gesäubert. Das so aufbereitete Wasser dient wiederum als Toilettenspülung und wird schließlich über eine Klärgrube in ein neben dem Haus befindliches Pflanzbeet geleitet, wo letzte Verunreinigungen durch die Pflanzen herausgefiltert werden.
Entwickelt wurde das Prinzip der Earthships in den 1970er Jahren vom amerikanischen Architekten Michael Reynolds. Erst etwa 30 Jahre später verbreitete sich das Konzept durch ein zunehmendes Bewusstsein für Klimaschutz und nachhaltige Baumethoden – auch außerhalb der Vereinigten Staaten. Entworfen und vermarktet werden die Gebäude heute von Reynolds' Firma Earthship Biotecture in Taos, New Mexico. Neben der Planung und Erstellung der Gebäude werden auch Pläne und Bücher zum Selbstbau angeboten.
Im Jahr 2006 waren rund 2000 Earthships gebaut, mit zwei Ausnahmen alle in den Vereinigten Staaten. Mindestens 1000 weitere Gebäude basierten auf denselben Prinzipien, sind aber ohne die Mitwirkung von Michael Reynolds oder Earthship Biotecture entstanden. Seither kamen Projekte in Kanada, Südamerika, der Karibik, Indien und Afrika hinzu. Außer Wohngebäuden entstanden auch Unterkünfte für Opfer von Naturkatastrophen in Haiti und Indien sowie eine Waldorfschule in Sierra Leone. Die Bauten berücksichtigen dabei die unterschiedlichen klimatischen Bedingungen der Standorte.
In Europa wurden Gebäude in den Niederlanden, Belgien, Frankreich, Spanien, Portugal, Großbritannien, Schweden, Island, Estland und der Tschechischen Republik realisiert. Als erstes Projekt im deutschsprachigen Raum ist ein Earthship in der Gemeinschaft Tempelhof (Baden Württemberg) geplant. Der Bau des Prototyps hat Ende September 2015 begonnen und wird, insbesondere hinsichtlich der bauphysikalischen Eigenschaften, von der Universität Stuttgart wissenschaftlich begleitet. Um eine genehmigungsfähige Planung zu erreichen, wurde dabei, anders als in einem klassischen Earthship, auf die vollständige Nutzung von Regen- und Abwasser verzichtet. Alle technischen Systeme eines typischen Earthship werden jedoch, trotz der Einschränkungen bei der Wassernutzung, eingebaut um eine vollständige Funktionsanalyse zu ermöglichen. Zudem hat das Gebäude, anders als bisherige Earthships, eine vollständige kapillarbrechende Bodendämmung aus Schaumglasschotter erhalten.
Die Übertragung des Earthship-Prinzips ins feuchtkalte Klima Nordeuropas führte bei den ersten Projekten allerdings zu technischen Problemen, insbesondere mit Tauwasser. Bau und Betrieb des Earthships in Brighton (Großbritannien) wurde deshalb vom Zentrum für nachhaltiges Bauen an der University of Brighton wissenschaftlich begleitet und dokumentiert. Eine Bachelorarbeit am dänischen Via University College beschäftigt sich mit der Frage, inwieweit sich das Bauprinzip im nordischen Klima Dänemarks anwenden lässt.
Die Dachflächen von Earthships sind so konstruiert, dass sämtliche Niederschläge (Wasser, Schnee, Tau und Kondensation) in eine meist unterirdische Zisterne fließen. Dabei wird das Wasser zuerst durch einen Kiesfilter geleitet, um zu verhindern, dass grobe Verunreinigungen in die Zisterne gelangen. Die Zisternen sind meist so angeordnet, dass sie im nordseitig angeschütteten Gelände liegen – also in etwa auf Höhe der Innenräume. Durch diese erhöhte Lage kann das Wasser ohne zusätzliche Pumpe im Gefälle bis in den Innenraum fließen, wo es im sog. „Water Organization Module“ (WOM) aufbereitet wird.
Das WOM besteht aus einer mit Gleichstrom betriebenen Pumpe und einer Reihe von Filtern. Dabei durchläuft nur das Wasser alle Filterstufen, das auch tatsächlich als Trinkwasser verwendet wird. Daher ist jedes Waschbecken mit einem zusätzlichen Hahn für Trinkwasser ausgestattet. Mittels der Pumpe wird das Wasser in einen Druckbehälter gepumpt, der das Hausnetz mit einem Standardwasserdruck versorgt. Das so aufbereitete Wasser wird für alle Anwendungen im Haushalt verwendet – mit Ausnahme der Toilette. Dort kommt nur bereits einmal verwendetes Wasser aus Waschbecken, Dusche oder Waschmaschine zum Einsatz, das zuvor in „Grauwasser“-Pflanzbeeten" gefiltert wurde.
*Quelle: Earthship Deutschland.de
**Bilder Wassermanagement, Earthship located in Taos N.M, Earthship inside greenhouse + Rechteinhaber: Amzi Smith (Diese Datei ist unter derCreative-Commons-Lizenz„Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert“lizenziert.)
Liebe Grüsse, Bauexperte
Als Earthship bezeichnet man Gebäude einer bestimmten Bauweise, die nur durch passive solare Wärmegewinne und die Speicherung dieser mittels Masse geheizt oder durch natürliche Luftzirkulation gekühlt werden. Sie zeichnen sich zudem durch eine weitgehende Nutzung natürlicher und recycelter Baustoffe sowie ihre völlige Autarkie hinsichtlich Wärme, elektrischer Energie, Wasser und Abwasser aus.
Besonderes Merkmal ist die Verwendung von Zivilisationsabfällen als Baumaterial. So sind die geschlossenen Nord-, Ost- und Westwände fast immer aus gebrauchten Autoreifen aufgebaut. Diese sind wie Ziegelsteine im Verbund aufgeschichtet und mit komprimierter Erde gefüllt. Die so entstandene Wand dient als tragendes Bauteil und zudem durch ihre große, meist mehrere Tonnen schwere Masse als thermischer Speicher. Die der Sonne zugewandte Südfassade ist dagegen fast vollständig verglast. Die hier entstehenden solaren Wärmegewinne werden in den massiven Bauteilen über Tage und Wochen gespeichert, so dass keine klassische Heizung benötigt wird.
Für die autarke Wasserversorgung wird auf der Dachfläche Regenwasser gesammelt und in Zisternen gespeichert. Durch ein ausgeklügeltes System wird jeder Tropfen Wasser bis zu vier Mal verwendet. Dadurch ist eine autarke Wasserversorgung selbst in ariden Gebieten mit sehr geringen jährlichen Niederschlagsmengen und ohne weitere Wasserzufuhr von außen möglich. Das Regenwasser wird gefiltert und dient als Trink- oder Spülwasser. Anschließend wässert es ein im Haus befindliches Pflanzbeet und wird dadurch gesäubert. Das so aufbereitete Wasser dient wiederum als Toilettenspülung und wird schließlich über eine Klärgrube in ein neben dem Haus befindliches Pflanzbeet geleitet, wo letzte Verunreinigungen durch die Pflanzen herausgefiltert werden.
Entwickelt wurde das Prinzip der Earthships in den 1970er Jahren vom amerikanischen Architekten Michael Reynolds. Erst etwa 30 Jahre später verbreitete sich das Konzept durch ein zunehmendes Bewusstsein für Klimaschutz und nachhaltige Baumethoden – auch außerhalb der Vereinigten Staaten. Entworfen und vermarktet werden die Gebäude heute von Reynolds' Firma Earthship Biotecture in Taos, New Mexico. Neben der Planung und Erstellung der Gebäude werden auch Pläne und Bücher zum Selbstbau angeboten.
Im Jahr 2006 waren rund 2000 Earthships gebaut, mit zwei Ausnahmen alle in den Vereinigten Staaten. Mindestens 1000 weitere Gebäude basierten auf denselben Prinzipien, sind aber ohne die Mitwirkung von Michael Reynolds oder Earthship Biotecture entstanden. Seither kamen Projekte in Kanada, Südamerika, der Karibik, Indien und Afrika hinzu. Außer Wohngebäuden entstanden auch Unterkünfte für Opfer von Naturkatastrophen in Haiti und Indien sowie eine Waldorfschule in Sierra Leone. Die Bauten berücksichtigen dabei die unterschiedlichen klimatischen Bedingungen der Standorte.
In Europa wurden Gebäude in den Niederlanden, Belgien, Frankreich, Spanien, Portugal, Großbritannien, Schweden, Island, Estland und der Tschechischen Republik realisiert. Als erstes Projekt im deutschsprachigen Raum ist ein Earthship in der Gemeinschaft Tempelhof (Baden Württemberg) geplant. Der Bau des Prototyps hat Ende September 2015 begonnen und wird, insbesondere hinsichtlich der bauphysikalischen Eigenschaften, von der Universität Stuttgart wissenschaftlich begleitet. Um eine genehmigungsfähige Planung zu erreichen, wurde dabei, anders als in einem klassischen Earthship, auf die vollständige Nutzung von Regen- und Abwasser verzichtet. Alle technischen Systeme eines typischen Earthship werden jedoch, trotz der Einschränkungen bei der Wassernutzung, eingebaut um eine vollständige Funktionsanalyse zu ermöglichen. Zudem hat das Gebäude, anders als bisherige Earthships, eine vollständige kapillarbrechende Bodendämmung aus Schaumglasschotter erhalten.
Die Übertragung des Earthship-Prinzips ins feuchtkalte Klima Nordeuropas führte bei den ersten Projekten allerdings zu technischen Problemen, insbesondere mit Tauwasser. Bau und Betrieb des Earthships in Brighton (Großbritannien) wurde deshalb vom Zentrum für nachhaltiges Bauen an der University of Brighton wissenschaftlich begleitet und dokumentiert. Eine Bachelorarbeit am dänischen Via University College beschäftigt sich mit der Frage, inwieweit sich das Bauprinzip im nordischen Klima Dänemarks anwenden lässt.
Die Dachflächen von Earthships sind so konstruiert, dass sämtliche Niederschläge (Wasser, Schnee, Tau und Kondensation) in eine meist unterirdische Zisterne fließen. Dabei wird das Wasser zuerst durch einen Kiesfilter geleitet, um zu verhindern, dass grobe Verunreinigungen in die Zisterne gelangen. Die Zisternen sind meist so angeordnet, dass sie im nordseitig angeschütteten Gelände liegen – also in etwa auf Höhe der Innenräume. Durch diese erhöhte Lage kann das Wasser ohne zusätzliche Pumpe im Gefälle bis in den Innenraum fließen, wo es im sog. „Water Organization Module“ (WOM) aufbereitet wird.
Das WOM besteht aus einer mit Gleichstrom betriebenen Pumpe und einer Reihe von Filtern. Dabei durchläuft nur das Wasser alle Filterstufen, das auch tatsächlich als Trinkwasser verwendet wird. Daher ist jedes Waschbecken mit einem zusätzlichen Hahn für Trinkwasser ausgestattet. Mittels der Pumpe wird das Wasser in einen Druckbehälter gepumpt, der das Hausnetz mit einem Standardwasserdruck versorgt. Das so aufbereitete Wasser wird für alle Anwendungen im Haushalt verwendet – mit Ausnahme der Toilette. Dort kommt nur bereits einmal verwendetes Wasser aus Waschbecken, Dusche oder Waschmaschine zum Einsatz, das zuvor in „Grauwasser“-Pflanzbeeten" gefiltert wurde.
*Quelle: Earthship Deutschland.de
**Bilder Wassermanagement, Earthship located in Taos N.M, Earthship inside greenhouse + Rechteinhaber: Amzi Smith (Diese Datei ist unter derCreative-Commons-Lizenz„Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert“lizenziert.)
Liebe Grüsse, Bauexperte