Wie Bremer 2/3-Lösung mit hohem Kniestock erreichen?

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nanella

Hallo,

wir überlegen zur Zeit den Kauf eines Grundstückes und haben mit einem Hausbauer bereits einen individuellen Grundriss erarbeitet. Das Haus ist eher klein geplant, da zum Einen der Bebauungsplan keine allzu große Fläche erlaubt, zum Anderen wir nur zu zweit sind (und bleiben werden). Ein Vollgeschoss (zwingend genau ein Vollgeschoss laut Bebauungsplan) mit 69m² Grundfläche + Obergeschoss. Damit das obere Geschoss auch gut nutzbar ist, würden wir gerne einen halbwegs hohen Kniestock haben (aktuelle Planung 1,2m). Das lässt sich aber nicht mit der Bremer Landesbauordnung vereinbaren, die eine sogenannte 2/3-Lösung vorschreibt (Hervorhebung meinerseits):

"(6) Vollgeschosse sind Geschosse, die mit der Oberkante der Rohdecke im Mittel
mehr als 1,40 m über die Straßenhöhe oder im Mittel mehr als 2,00 m über die
Geländeoberfläche hinausragen (oberirdische Geschosse) und eine Höhe von
mindestens 2,30 m haben. Die beiden obersten Geschosse sind nur dann Voll-
geschosse, wenn sie diese Höhe über mehr als zwei Drittel des darunter liegenden
Geschosses haben.
Die Höhe der Geschosse wird von Oberkante Rohdecke bis
Oberkante Rohdecke der darüber liegenden Decke, bei Geschossen mit Dachflächen
bis zur Unterkante Dachkonstruktion gemessen."

Wir haben zu diesem Gesetzestext nun schon so viele Interpretationen gehört, dass wir ziemlich verwirrt sind. Wir verstehen ihn insofern, dass nur 2/3 der Fläche des EG im OG über 2,3m hoch sein dürfen. Was genau hier als Fläche gezählt wird, ist uns allerdings unklar. Makler und Hausbauer haben schon unterschiedliche, teils widersprüchliche Aussagen abgegeben, was als Fläche zählt (Wohnfläche vs. "Grundfläche inkl. Terrasse" vs. "Grundfläche im Gebäude" und wie man die 2/3 erreichen könnte - mit einem Architekten konnten wir leider noch nicht sprechen (folgt natürlich später, wir hätten aber gerne vorher schon eine Einschätzung).

Folgende Frage zuerst: Weiß jemand, welche Fläche hier gemeint ist? Handelt es sich um die Wohnfläche nach WoFIV, um die Grundfläche der geschlossenen Räume, oder um Grundfläche im Sinne von "inklusive Terrassen und Stellplätzen"?

Folgende Vorschläge wurden uns unterbreitet, wie man die 2/3-Lösung erreichen könnte:

  1. Kniestock verringern auf ca. 70cm und so die Fläche mit Höhe über 2,3m verringern (offensichtliche Lösung, die wir gerne vermeiden würden)
  2. Anbau im EG, um die Fläche im EG zu erhöhen, sodass 2/3 der Fläche im EG eine größere mögliche Fläche im OG ermöglichen (Zusatzkosten, die wir gerne vermeiden würden)
  3. Anrechnung von Terrasse auf Fläche im EG (klingt mit der Formulierung "wenn sie diese Höhe über mehr als zwei Drittel des darunter liegenden Geschosses haben" nicht nach einer validen Lösung)
  4. Begehbaren kleiderschrank im OG integrieren, der nicht zur Wohnfläche zählt (nur möglich, wenn sich der Gesetzestext auf die Wohnfläche bezieht - dann hätten wir aber noch ganz andere Probleme, da sich z.B. der Hauswirtschaftsraum im EG befindet und dann ja ebenfalls nicht zur Fläche zählen würde)
Hat da jemand schon Erfahrungen mit und weiß, welche Lösungen davon wirklich helfen würden? Oder gibt es weitere Ideen, den hohen Kniestock zu erhalten? Oder wäre das vielleicht etwas wo man über eine Bauvoranfrage erfahren könnte, ob das Bauamt gewillt wäre davon abzuweichen?
Wir sind dankbar für jede Hilfe :)
 
K

KarstenausNRW

Folgende Frage zuerst: Weiß jemand, welche Fläche hier gemeint ist?
Geschoss ist Grundfläche. Da geht es nicht um Wohnfläche - Wohnfläche steht auch nirgends. Also die Gesamtfläche inkl. Außenmauern. Keine Terrassen, keine Garage, keine Gullydeckel,
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Euer "Problem" ist übrigens überall in D so oder in ähnlicher Form. Also 08/15, wenn man es mit Architekten oder ähnlichen Fachleuten zu tun hat. Ihr habt anscheinend mit Metzgern oder Kindergärtnern gesprochen ;-)

Die Möglichkeiten 3+4 sind so wahrscheinlich umsetzbar, wie das eigene Atomkraftwerk in der Gartenhütte. Also bleiben nur noch 1+2. Oder die Variante eines Staffelgeschosses ohne jegliche Schrägen.
 
11ant

11ant

wir überlegen zur Zeit den Kauf eines Grundstückes und haben mit einem Hausbauer bereits einen individuellen Grundriss erarbeitet. Das Haus ist eher klein geplant, da zum Einen der Bebauungsplan keine allzu große Fläche erlaubt, zum Anderen wir nur zu zweit sind (und bleiben werden). Ein Vollgeschoss (zwingend genau ein Vollgeschoss laut Bebauungsplan) mit 69m² Grundfläche + Obergeschoss. Damit das obere Geschoss auch gut nutzbar ist, würden wir gerne einen halbwegs hohen Kniestock haben (aktuelle Planung 1,2m). [...] Wir verstehen ihn insofern, dass nur 2/3 der Fläche des EG im OG über 2,3m hoch sein dürfen. Was genau hier als Fläche gezählt wird, ist uns allerdings unklar.
Entscheidend finde ich hier zunächst, wie die Vorschrift der Grundfläche von 69 qm genau gefaßt ist. Verlinken darfst Du den Bebauungsplan hier nicht, aber nennen "Posemuckel Nr. 234 Hinter´m Deich". Auch die Angaben der erlaubten Traufhöhen, Firsthöhen und Dachneigungen wären von wesentlichem Beitrag zur Erhellung. Die Nichtvollgeschoßregeln beziehen sich regelmäßig einschließlich der Umfassungswände, praktisch vergleichst Du also die gesamte Hausgrundfläche im EG und im OG dann nur den Bereich mit über 2,30 m lichter Raumhöhe, einschließlich der Giebelwände; die traufseitigen Wände interessieren hier nicht, da der Kniestock ja stets unterhalb der relevanten Grenze und somit außerhalb der zu betrachtenden Fläche liegt. Und nun rechnen wir mal, ausgehend von Deiner Angabe der 69 qm Grundfläche (die hoffentlich nur die Grundflächenzahl I meint, sonst wird es eher ein Hüttchen). Wir nehmen ein symmetrisches Satteldach an, und worst Case eine quadratische Hausgrundfläche. Das wären dann ein EG von 8,30 m Haustiefe und -breite, und Deine erlaubten 46 qm im OG würden 5,54 m Tiefe haben können. Also dürfte die Schräge bei 1,20 m Kniestock startend erst nach mindestens 1,38 m bis auf die zu unterschreitenden 2,30 m geklettert sein. Mit 38° DN wäre das einzuhalten. Rechnen wir mal ein praktikableres Format von beispielsweise 7,50 m Haustiefe bei 9,20 m Breite, dann wären das 5,00 m Tiefe des relavanten Streifens der DG-Fläche entsprechend 1,25 m Anstiegstrecke der Schräge: das Ergebnis wäre eine mögliche Dachneigung von sogar 41° (alles überschlägig, versteht sich). Ich sehe hier soweit 82 qm Wohnfläche (auch wieder faustformelig ermittelt) nichts im Wege stehen. Der Knackpunkt liegt also eher in der genauen Grundflächenlimitierung. Ein Kniestock von 70 cm ist hier nicht im geringsten nötig und ggf. sogar kontraproduktiv - den würde ich also gleich abhaken (wie übrigens auch den Hausanbieter, wenn der die elementarste Hauptschulmathematik nicht selber drauf hat). Daß der Dativ dem Genitiv sein Tod sei, wußte ich ja bereits - aber nun auch dem Dreisatz und dem Pythagoras seiner ... *SCNR*
 
N

nanella

Entscheidend finde ich hier zunächst, wie die Vorschrift der Grundfläche von 69 qm genau gefaßt ist. Verlinken darfst Du den Bebauungsplan hier nicht, aber nennen "Posemuckel Nr. 234 Hinter´m Deich". Auch die Angaben der erlaubten Traufhöhen, Firsthöhen und Dachneigungen wären von wesentlichem Beitrag zur Erhellung.
Aus Anonymitätsgründen habe ich einmal die relevanten Auszüge des Bauplans angehangen. Erlaubte Firsthöhe beträgt 9m, Dachneigung zwischen 40° und 60°. Der Anbieter, der die 70cm Kniestock genannt hat, baut unter anderem Dächer mit 42°.

Die Nichtvollgeschoßregeln beziehen sich regelmäßig einschließlich der Umfassungswände, praktisch vergleichst Du also die gesamte Hausgrundfläche im EG und im OG dann nur den Bereich mit über 2,30 m lichter Raumhöhe, einschließlich der Giebelwände
Wenn ich das richtig verstehe, ist laut Bauordnung mit den 2,3m aber nicht die lichte Raumhöhe, sondern die Raumhöhe ab Oberkante Rohdecke gemeint, oder? Da kommen dann ja nochmal einige Zentimeter Bodenaufbau dazu (bei uns 16,5cm). (Das gleiche gilt ja aber auch für den Kniestock, also wohl irrelevant)

Und nun rechnen wir mal, ausgehend von Deiner Angabe der 69 qm Grundfläche (die hoffentlich nur die Grundflächenzahl I meint, sonst wird es eher ein Hüttchen)
Die Grundfläche bezog sich auf DIN 277. Das Haus hat Außenmaße von 8,54m x 10,04m (= 85,74m², keine Ahnung wozu man mir die DIN genannt hat), die lange Seite ist die Traufseite. Geplant ist, die Außenwand im OG um 1,20m zu erhöhen, kein eingezogener Drempel.

Wenn ich mich nicht verrechnet habe, gilt nach Pythagoras: bei 42° Dachneigung ist nach 1,44m Raumtiefe ab Außenseite eine Raumhöhe von 2,3m erreicht. Damit bleiben auf jeder Traufseite 3,05m Raumtiefe mit einer Höhe >= 2,3m übrig. 3,05m * 2 * 10,04m = 61,24m², was leider über 2/3 von 85,74m² ist. Das ist wahrscheinlich eine vereinfachte Rechnung, da sie keine Wände berücksichtigt, die Richtung dürfte aber stimmen. Bei einem Kniestock von 1m wäre man nah an den 2/3 dran.

Wie schon gesagt hatten wir gehofft ohne eine Anpassung des Kniestocks auszukommen, wahrscheinlich würden wir dann eher einen Anbau im EG ins Auge fassen.
 

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Sunshine387

Ich bin gerade sprachlos mit welchen Architekten Ihr gesprochen habt. Ich würde mir noch schnell wen anders suchen. Das sind doch Basics und einfachste Grundlagen, die jeder Architekt kennen und können muss. Das mit den 2/3 bei einem Geschoss kommt doch in über 90% der Einfamilienhaus Neubaugebiete zum tragen und auch ohne große Rechnung muss doch jeder Bauunternehmer wissen, dass ein Kniestock von c.a 115cm Rohbau und 100cm nach Dämmung und Bodenbelag immer und überall möglich ist und man so das eine Vollgeschoss erreicht. Sucht euch schnell einen anderen Bauunternehmer.
 
11ant

11ant

Die Grundfläche bezog sich auf DIN 277. Das Haus hat Außenmaße von 8,54m x 10,04m (= 85,74m², keine Ahnung wozu man mir die DIN genannt hat),
Das ist eine Hausgrundfläche von 85,74 qm und die 69 qm werden demnach die Wohnfläche sein, die man nach DIN (älter) oder nach Wohnflächenverordnung (neuer) ausrechnen kann. Deine zwei Drittel wären entsprechend 57,16 qm und der relevante Bereich also 5,69 m tief. Du könntest also Kniestock 120 mit 37° DN bauen, oder bei 42° DN den Kniestock auf 100 reduzieren. Auch das ist ein günstiges Maß, und zum Jammern zu viel, auch wenn man sich mehr wünschen kann (aber dafür geht es ja auch 5° steiler aufwärts).
 
Zuletzt aktualisiert 27.11.2024
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