II. Allgemein anerkannte Regeln der Technik
Eine Definition des Begriffs „allgemein anerkannter Regeln der Technik“ findet sich nicht im Gesetz, obwohl in einigen Regelungen dieser Begriff verwendet wird (z. B. § 3 Bau- Ordnung NRW, VOB Teil B). Die Rechtsprechung definiert wie folgt:
„Anerkannte technische Regeln sind diejenigen Prinzipien und Lösungen, die in der Praxis erprobt und bewährt sind und sich bei der Mehrheit der Praktiker durchgesetzt haben.“
Erforderlich ist also neben der theoretischen Komponente – d. h. den entsprechenden wissenschaftlichen Erkenntnissen – auch eine praktische Komponente: Das Verfahren muss sich in der Praxis bewährt haben. Die Regeln der Technik müssen nicht schriftlich festgelegt sein.
Zu den anerkannten Regeln können zählen:
- - VOB/C
- - DIN-Normen
- - einheitliche technische Baubestimmungen
- - Europäische Normen
- - Herstellervorschriften zur Verarbeitung eines bestimmten Produkts
- - Bestimmungen des DVGW - Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e. V.
- gesetzliche Bestimmungen (z. B. die Energieeinsparverordnung)
Anerkannte Regeln der Bautechnik finden sich vornehmlich in DIN-Normen. Nach der Rechtsprechung besteht eine Vermutung dafür, dass DIN-Normen die anerkannten Re- geln der Technik wiedergeben. Das bedeutet, das derjenige, der behauptet, eine DIN- Norm entspreche nicht dem Stand der Technik, hierfür beweispflichtig ist.
Zu beachten ist, dass es aber auch DIN-Normen gibt, die bereits hinter den Regeln der Technik zurückbleiben. Solche veralteten DIN-Normen verlieren ihre Bedeutung als Re- gel der Technik.
Beispiel hierfür sind die Schallschutzanforderungen der DIN 4109. Hierzu hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 14.06.2007 (Az. VII ZR 45/06) ausgeführt:
„Darüber hinaus wäre es verfehlt, in der DIN 4109 formulierte Schallschutzanfor- derungen, sei es für einen Mindeststandard, sei es für einen erhöhten Schall- Schutz, unabhängig von den zur Verfügung stehenden Bauweisen als anerkannte Regel der Technik zu bewerten. Der Senat hat wiederholt darauf hingewiesen, dass DIN-Normen keine Rechtsnormen sind, sondern nur private technische Re- gelungen mit Empfehlungscharakter. DIN-Normen können die anerkannten Re- geln der Technik wiedergeben oder hinter diesen zurückbleiben ( ). Die Anforderungen an den Schallschutz unterliegen einer dynamischen Veränderung. Sie orientieren sich einerseits an den aktuellen Bedürfnissen der Menschen nach Ruhe und individueller Abgeschiedenheit in den eigenen Wohnräumen. Andererseits hängen sie von den Möglichkeiten des Baugewerbes und der Bauindustrie ab, unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Interessen beider Vertragspartei- en möglichst umfangreichen Schallschutz zu gewährleisten. In privaten technischen Regelwerken festgelegte Schalldämm-Maße können nicht als anerkannte Regeln der Technik herangezogen werden, wenn es wirtschaftlich akzeptable, ihrerseits den anerkannten Regeln der Technik entsprechende Bauweisen gibt, die ohne weiteres höhere Schalldämm-Maße erreichen.“
Zu beachten ist weiterhin, dass die anerkannten Regeln der Technik im Zeitpunkt der Abnahme der Bauleistungen eingehalten sein müssen. Das kann problematisch werden, wenn sich im Rahmen der Bauabwicklung die Regeln der Technik ändern sollten. Ändert sich etwa die Energieeinsparverordnung während der Realisierung eines Bauvorhabens, so kann das Bau- vorhaben zwar entsprechend den Vorschriften der ursprünglich erteilten Baugenehmi- gung errichtet werden, ohne dass bauordnungsrechtliche Probleme entstehen. Gleich- wohl besteht aber die Gefahr, dass die Einhaltung der in diesem Fall veralteten Vor- schriften der Energieeinsparverordnung zivilrechtlich eine fehlerhafte Leistung begründet.
Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass nicht jede neu veröffentlichte DIN-Norm zugleich auch die allgemein anerkannte Regel der Technik darstellt. Zur allgemeinen Anerken- nung gehört, dass die Regelung sich in der Baupraxis bewährt hat.
Quelle: Praxishinweis: Die rechtliche Bedeutung von technischen Regelwerken, aknw
Liebe Grüsse, Bauexperte