Das muss doch irgendwo definiert sein ?
Nein, und zwar deshalb nicht, weil bei einem Bauvorhaben 70cm bedeutend sein können, bei einem anderen 1m aber unbedeutend. Hier mal ein paar Zitate:
BayBO Vollzugshinweise 2008:
Abstandsflächenirrelevant ist ein Dachüberstand grundsätzlich immer dann, wenn er orts- oder landschaftsüblich ist. Unabhängig davon darf der Dachüberstand keine eigenständige Funktion
(z. B. Überdachung eines Kraftfahrzeugstellplatzes) haben.
Handlungsempfehlung Bauordnung NRW 2018:
Ein Dachüberstand darf aber keine eigenständige Funktion (z. B. Überdachung eines Kraftfahrzeugstellplatzes) haben, sonst verliert er seine Privilegierung nach Absatz 6.
Handlungsempfehlung MV:
Vortretende Bauteile haben Gliederungs- und Gestaltungsfunktion. Ein Dachüberstand ist nicht abstandsflächenrelevant, wenn er ortsbildprägend ist. Unabhängig davon darf ein Dachüberstand keine eigenständige Funktion (zum Beispiel Überdachung eines Stellplatzes) haben.
FAQ zur Hamburgische Bauordnung:
Dachüberstände bleiben bei der Bemessung der Abstandsflächen außer Betracht, wenn sie das Merkmal der Unterordnung aufweisen (§6 Abs. 6 Nr. 1 Hamburgische Bauordnung). Dies ist dann der Fall, wenn der Dachüberstand maximal 50 cm tief ist. Vorgehängte Regenrinnen können dabei unberücksichtigt bleiben.
Hierbei geht es um Abstandsflächen, d.h. um Bauordnungsrecht, also Landesrecht. Außerdem sind es keine Gesetze oder Verordnungen, sondern Handlungsempfehlungen der Ministerien an die Baubehörden. Ob diese Regelungen auf das bundeseinheitliche Planungsrecht, hier also die in der Baunutzungsverordnung beschriebenen Baugrenzen, anwendbar sind, entscheidet im Streitfall ein Gericht einzelfallbezogen unter Würdigung der ganz speziellen Gegebenheiten. Oft orientiert es sich aber am Landesrecht.
Wenn der Bebauungsplan eine Überschreitung der Baugrenze um bspw. 50 cm erlauben würde
Hier kommt es auf die genaue Formulierung an. Eine übliche Formulierung wäre z.B.:
Die Baugrenzen dürfen ausnahmsweise durch Balkone überschritten werden, die Überschreitung ist beschränkt auf die halbe Gebäudebreite und maximal 1,60 m Tiefe.
Fehlte das Wort "ausnahmsweise", müsste in der Tat diskutiert werden, ob es sich dann um eine Ausnahmeregelung im Sinne des §23 Baunutzungsverordnung handelte.
Welche Gebäudeteile dürfen die baugrenze überschreiten?
Alle, sofern die Überschreitung nur geringfügig ist. Eine Quantifizierung ist per Gesetz nicht möglich und muss im Einzelfall entschieden werden. Ebenso die Einschätzung, ob die Überschreitung eine Befreiung nach §31 Baugesetzbuch erfordert oder nicht. Üblich ist
- dass ein funktionsloser Dachüberstand von 50cm ignoriert wird. Er taucht in den Bauvorlagen nur im DG-Grundriss und in den Ansichten auf. Im Lageplan wird er nicht dargestellt, er findet keine Berücksichtigung bei den Abstandsflächen und nicht bei der Grundflächenzahl-Berechnung.
- dass 1,50m vortretender Balkon zwar keine Abstandsflächen auslöst, jedoch bei Baugrenzenüberschreitung eine Befreiung erfordert und bei der Grundflächenzahl eingerechnet wird.