Guten Abend,
ich bin nach einem langen Tag, noch ein wenig am Schreibtisch; Vorbereitung auf die morgige Messe.
Wenn du mir dann erklärst, wie sich noch jemand in Freiburg zum Beispiel das Bauen leisten kann?
Das hast Du jetzt schon 2 mal geschrieben … und da ich es nicht wissen kann - ich lebe und arbeite in NRW - habe ich mir die HP der Stadt Freiburg einmal angesehen.
Freiburger Effizienzhaus-Standard 55 (neue Wohngebäude)
Dieser Standard wird festgelegt in städtebaulichen Verträgen für Wohnbaugrundstücke in neuen Bebauungsplänen (Offenlagebeschluss nach dem 30. September 2011) und in Kaufverträgen für städtische Wohnbaugrundstücke, die nach dem 30.09.2011 geschlossen werden.
Die bisher geltenden Freiburger Effizienzhausstandards 40 und 60 werden zum neuen Freiburger Effizienzhausstandard 55 zusammengeführt. Das Fr-EH 55 entspricht einem KfW-Effizienzhaus 55 (Energieeinsparverordnung 2014) mit einer nachgewiesenen Luftdichtigkeit n50 ≤ 0,60/h und einer kontrollierten Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung (Effizienz > 75%). Der Primärenergiebedarf von 55 % und der spezifische Transmissionswärmeverlust von 70 % der jeweiligen Anforderungswerte nach Energieeinsparverordnung 2014 dürfen nicht überschritten werden.
Ich finde darin keinen Hinweis, daß nur Passivhäuser genehmigt würden; im Gegenteil, es liest sich so, daß alle Effizienzstufen ab KfW 55 eine Genehmigung erhalten, wenn und insofern das Grundstück von der Kommune kommt. Das ist dieser Tage ein zahlbarer Investment im Rahmen TEUR 8.5 Mehrkosten.
Passivhaus heißt für mich nicht unbedingt, das Papier vom Passivhaus Institut drankleben zu können.
Die eigentlichen Anforderungen sind Luftwechselrate < 0,6 und Jahresheizenergie < 15kwh/qm. Dafür müssen es nicht unbedingt zertifizierte Komponenten sein, wichtiger sind sorgfältig arbeitende Handwerker.
Der Begriff des „Passivhauses“ ist nicht geschützt, noch die Komponenten, welche darin verbaut werden dürfen, an einer Stelle explizit vorgeschrieben. **Die Zertifizierung als „qualitätsgeprüftes Passivhaus“ (mit der PHI-Marke) ist ein Angebot des PHI. Niemand „muss“ sein Passivhaus zertifizieren. Da es sich aber für viele Planer, Bauträger und Ausführende um wirklich neue Anforderungen handelt, ist das Zertifikat ein guter Weg, sicher zu stellen, dass diese Anforderungen auch erfüllt werden. Das Vertrauen zwischen Anbieter und Käufer wird dadurch gefestigt. Außerdem spart eine gute Qualitätssicherung beim Planungsprozess oft viel Geld ein. Das PHI steht mit seiner Reputation hinter dieser Zertifizierung – die PHI-Kennzeichnung ist daher auch eine geschützte Marke. Nur durch das PHI anerkannte Zertifizierungsstellen dürfen diese Kennzeichnung verwenden.
Wo sollen da noch die großen Mehrkosten herkommen?
***Ein Wohngebäude ist ein Passivhaus, wenn es folgende drei Anforderungen erfüllt:
1. Ein behagliches Innenklima ist ohne separates Heizsystem und ohne Klimaanlage erreichbar: Dazu darf der Jahresheizwärmebedarf nach Passivhaus Projektierungs-Paket (PHPP) Max. 15 kWh/(m²a) sein.
2. Die Behaglichkeitskriterien müssen in jedem Wohnraum im Winter wie im Sommer erfüllt sein. Daraus ergeben sich i.d.R. folgende Anforderungen:
- U-Werte opaker Außenbauteile müssen unter 0,15 W/(m²K) liegen.
- U-Werte von Fenstern und anderen transluzenten Bauteilen müssen unter 0,8 W/(m²K) liegen.
- Transluzente Flächen in West- oder Ostorientierung (±50°) sowie transluzente Flächen mit Neigungen unter 75° gegen die Horizontale dürfen 15% der dahinterliegenden Nutzflächen nicht überschreiten oder sie müssen einen temporären Sonnenschutz mit einem Minderungsfaktor von mindestens 75% aufweisen. Für südorientierte Fenster liegt die Grenze erst bei 25% der dahinterliegenden Nutzflächen.
- Die Zulufttemperaturen am Luftauslass im Raum dürfen 17° nicht unterschreiten. Eine gleichmäßige Durchströmung aller Räume und in allen Räumen muss gewährleistet sein (Lüftungseffizienz). Die Lüftung muss in erster Linie auf Lufthygiene ausgelegt sein (DIN 1946). Die Schallbelastung durch die Lüftungsanlage muss sehr gering sein (< 25 dBa).
- Die Häuser müssen in jedem Wohnraum mindestens eine öffenbare Außenluftöffnung aufweisen, eine Durchströmung der Wohnung mit Außenluft muss möglich sein (freie Sommerkühlung).
3. Der spezifische Primärenergieeinsatz für alle Haushaltsanwendungen (Heizung, Warmwasserbereitung und Haushaltsstrom) zusammen darf nicht höher sein als 120 kWh/(m²a). Die Berechnung erfolgt nach PHPP.
Die Werte für das Referenzgebäude nach Energieeinsparverordnung lauten:
Dach: UREF 0,20W/(m2K)
Wand: UREF 0,28W/(m2K)
Wärmebrücken: UREF 0,05W/(m2K)
Bodenplatte: UREF 0,35W/(m2K)
Fenster: UREF 1,3W/(m2K)
Heizung: Gas-Brennwert + Solare Trinkwassererwärmung
Primärenergiebedarf: QREF 83,41kWh/(m2a)
***Folgende Grundsätze gelten für den Bau von Passivhäusern:
Wärmedämmumg
Alle opaken Bauteile der Außenhülle des Hauses sind so gut gedämmt, dass sie einen Wärmedurchgangskoeffizienten (U-Wert) von Max. 0,15 W/(m²K) haben, d.h. pro Grad Temperaturunterschied und Quadratmeter Außenfläche gehen höchstens 0,15 Watt verloren.
Passivhaus-Fenster
Die Fenster (Verglasung einschließlich der Fensterrahmen) sollen einen U-Wert von 0,80 W/(m²K) nicht überschreiten, bei g-Werten um 50% (g-Wert = Gesamtenergiedurchlassgrad, Anteil der für den Raum verfügbaren Solarenergie).
Lüftungswärmerückgewinnung
Die Komfortlüftung mit der hochwirksamen Wärmerückgewinnung bewirkt in erster Linie eine gute Raumluftqualität - in zweiter Linie dient sie der Energieeinsparung. Im Passivhaus werden mindestens 75% der Wärme aus der Abluft über einen Wärmeübertrager der Frischluft wieder zugeführt.
Luftdichtheit des Gebäudes
Die Leckage durch unkontrollierte Fugen muß beim Test mit Unter-/ Überdruck von 50 Pascal kleiner als 0,6 Hausvolumen pro Stunde sein.
Wärmebrückenfreiheit
Alle Kanten, Ecken, Anschlüsse und Durchdringungen müssen besonders sorgfältig geplant und ausgeführt werden, um Wärmebrücken zu vermeiden. Wärmebrücken, die nicht vermieden werden können, müssen soweit wie möglich minimiert werden.
**Quelle: IG Passivhaus
***Quelle: Passivhausinstitut
Vom Referenzgebäude abweichende Anforderungen an Mauerwerk, Bodenplatte, Dach, Dämmung, Fenster und Lüftung sowie Heizlastmodell nach PHPP im Verhältnis zum Referenzgebäude nach Energieeinsparverordnung 2014 bist Du ganz schnell bei Mehrkosten im Bereich 40%. Das wird sich in den kommenden Jahren sicher noch verringern; im Moment allerdings sollten potenzielle Bauinteressenten diesen Mehrinvest besser nicht aus dem Auge verlieren.
Wobei ich immer schmunzeln muß: bei der Heizlastberechnung eines PH fliest u.a. auch die Körperwärme der späteren Bewohner in die Berechnung ein. In Lehrte steht ein Passivhaus als Musterhaus, wo die diensttuenden Verkäuferinnen zu bestimmten Jahreszeiten ein Heizöfchen aufstellen
Liebe Grüsse, Bauexperte