Mycraft
Moderator
Das Thema moderne Elektrik taucht immer wieder auf und viele sind verunsichert oder einfach schlecht informiert.
Das fragen sich die Bauherren:
- Brauche ich das jetzt oder nicht?
- Sind die Mehrkosten gerechtfertigt
- Was sind die Vorteile?
- Wo liegen die Grenzen
- Was ist überhaupt Smarthome?
Aus diesem Grunde möchte ich etwas von meinen Erfahrungen teilen.
Ich selbst wohne seit etwa 7 Jahren in einem automatisiertem Haus mit moderner Elektrik. Ob es Smart, automatisch oder intelligent das darf der Leser entscheiden. Ich werde im weiteren Verlauf Beispiele aufzeigen wie wir dies oder jenes realisiert haben um so ein Bild zu vermitteln was machbar ist. Dazu möchte ich sagen, dass ich unser Haus eher zu den wenig/mittel automatisierten zählen würde, da mir Beispiele bekannt sind, wo weitaus mehr gemacht worden ist.
Smarthome/Moderne Elektrik/Intelligente Häuser, das alles beschreibt irgendwie und irgendwas, aber jeder stellt sich völlig unterschiedliche Sachen darunter vor. Vor allem wenn man keinerlei Background hat und nie was anderes kannte als: Klatsch auf den Schalter -> Licht an!
Jeder Hersteller der gerade mal schaltbare Steckdosen, Bewegungsmelder und ggf. Thermostate mit einer zentralen Steuerung rausbringt, zögert nicht das Ganze als Smarthome zu bezeichnen.
Daran ist aber erst mal überhaupt nichts smart. Maximal erleichtert es nur ein Wenig den Alltag.
Denn Steckdosen mit Zeitschaltuhr, Lichter mit Bewegungsmelder und eine Heizung, welche die Temperatur halten bzw. automatisch absenken/anheben. Sind alles einfach nur drei verschiedene Systeme, welche auch mit einer zentralen Steuerung nebeneinander existieren und ihre Aufgaben verrichten. Man hatte diese Helferlein auch schon vor 30 Jahren, nur damals im Gegensatz zu Heute nannte das niemand Smarthome.
Auch ein zusätzlicher Sprachassistent macht immer noch kein Smarthome daraus.
Wenn man beide Augen zudrückt könnte man es ein automatisches Haus nennen.
Smarthomes also “schlaue” oder intelligente Häuser sind viel mehr.
“Intelligent” wird es, wenn eine Vielzahl an Systemen/ Geräten unterschiedlicher Hersteller miteinander vereint werden, die Prozesse ineinander greifen und so Synergien entstehen.
Die Funktionen können und müssen individuell an die spezifische Bedürfnisse und Gewohnheiten der Besitzer/Hauseigentümer angepasst werden und die Umgebung und Umwelteinflüsse mit einbezogen werden. Das Ganze dabei natürlich ökonomisch und jederzeit flexibel erweiterungsfähig und änderbar.
Wir haben vor 7 Jahren auch vor der Entscheidung gestanden und hin und her überlegt für welches System man sich entscheiden sollte.
Was uns wichtig war:
- Keine geschlossenen Lösungen sprich kein Zwang im Thema: Hersteller, Cloud
- Verfügbarkeit und Vielfalt der Komponenten.
- Flexibilität und Erweiterbarkeit
- Keine Batterien und Zusatzstecker
- Hohe Zuverlässigkeit
- Zukunftssicherheit
- Möglichkeiten mehrere Systeme miteinander und nicht neben-/gegeneinander arbeiten zu lassen
- Kosten
Besonders wichtig war uns die Unauffälligkeit. Sprich wir wollten die Technik haben, wollten diese aber möglichst unsichtbar. Es ist verständlich, dass die Displays, Taster Präsenzmelder usw. auffälliger sind als normale Lichtschalter, aber der Rest der Anlage ist nicht zu sehen. Es gibt nichts zusätzliches als die Endgeräte an den Steckdosen. Keine aufgeklebten oder angeschraubten Sensoren an den Fenstern oder Türen.
Realisiert wurde alles mit KNX mit einem fähigen Fachbetrieb und durch mich selbst.
Das Haus hat momentan:
- ca. 100 Steckdosen von denen etwa 30% einzeln schaltbar sind
- 48 Schaltbare Kanäle insgesamt
- 15 Lichtgruppen von denen 8 dimmbar sind
- 14 Rollläden
- 2 fest eingebaute Touchscreens und andere portable Geräte(Laptop, Iphone) zur Steuerung.
- diverse Temperatur, Gas, CO2, Luftgüte und Lichtsensoren.
- 8 Präsenzmelder
- 8 Taster mit Display je 3 Wippen (6 Tasten)
- 10 Rauchmelder
- 30 LAN Dosen
- 8 IP Kameras
- 8x SAT (3 Fernseher)
- 1x Sprachsteuerung
- 1x Wetterstation
Beispiele unserer Automatisation:
Beschattungs-/Klima-/Lüftungs- und Heizungssteuerung
Damit ein Haus im Sommer nicht überhitzt, dabei jedoch möglichst viel Sonnenenergie aufnimmt benötigt man ein Zusammenwirken von diesen Systemen.
Die Heizung erkennt anhand gemessenen Temperaturen im Haus, dass ein Heizen nicht nötig ist und lässt Wasser im Boden zirkulieren um die Temperatur(etwas) zu halten, denn die Wetterstation meldet: Es wird heute ein warmer Tag. Die Temperatursensoren innen und außen registrieren den Unterschied und passen die Lüftungsanlage so an, dass zwar der Luftaustausch gewährleistet ist, jedoch weiterhin dynamisch und bei plötzlichen Verunreinigungen der Luft(z.B. Kochen) die Gerüche schnellstens herausgefiltert werden, aber nur ein Mindestmaß an warmer Luft von außen angesaugt wird. Dabei erkennt die Lüftungsanlage die Verunreinigungen in der Luft und entscheidet selbst was zu tun ist.
Die Beschattung führt ständig die Lamellen der Rollläden nach um den Wärmeertrag im Haus möglichst gering zu halten, dabei jedoch die Räume nicht verdunkeln, um die Bewohner nicht zu stören, hier meldet die Wetterstation die aktuelle Sonnenintensität an den jeweils der Sonne zugewandten Fassadenseiten. Als letzte Maßnahme befindet sich die Klimaanlage ständig in Bereitschaft und kühlt ggf. die Räumlichkeiten nach, wenn die Thermostate melden es besteht Bedarf. Bei länger geöffneten Fenstern/Türen schaltet sich die Klimaanlage ab. Das benötigte Warmwasser wird durch die Solaranlage erwärmt und zwischengespeichert.
Bei Abwesenheit, oder wenn die Bewohner ein Mittagsschlaf machen sollten, wird dagegen maximal beschattet/verdunkelt und minimal gelüftet. Die anderen Systeme bleiben davon unberührt und halten die Temperatur etc. weiterhin auf gewünschtem Niveau. Die An- und Abwesenheit, Schlaf wird durch weitere Sensoren erkannt und an die Anlagen gemeldet.
Im Winter funktioniert alles natürlich andersherum. Es wird kaum beschattet, da das Haus versucht soviel "freie Energie" der Sonne wie es nur möglich ist, einzufangen. Die Lüftung wird ständig den Gegebenheiten angepasst. Die Fenster bleiben in der Regel geschlossen. Die Klimaanlage bleibt aus und der Sommerbypass auch.
Wenn man duscht merkt das die Anlagen ebenfalls und fährt dann die Abluft herauf um die Feuchtigkeit schnellstmöglich abzutransportieren.
Das System ist soweit abgestimmt, dass wir auf die ERR verzichten können (und wollen). Zum größten Teil liegt es aber einfach nur an der außentemperaturgeführten Steuerung der Therme und dem Selbstregeleffekt und nicht an der zusätzlichen Steuerung.
Rollladensteuerung:
Die Beschattung hatte ich ja schon angesprochen. Zusätzlich dazu gibt es verschiedene Szenarien, welche in der Regel automatisch ausgeführt und auch manuell ausgelöst werden können.
Die Rollläden werden ständig von den anderen Sensoren informiert was gerade so los ist. Wie z.B. Sonnenintensität, Fensterstellung offen/geschlossen/gekippt und auch welche Temperaturen gerade drin und draußen herrschen und, ob jemand zu Hause ist. Daraus errechnen die Rollläden, welche Stellung momentan die passende ist.
So z.B. gehen die Rollläden morgens auf und Abends runter. Hierbei reicht es nicht einfach nur, dass es dunkel/hell draußen ist. Auch die Tageszeit muss stimmen und auch die Jahreszeit. Im Winter z.B. bleiben bestimmte Rollläden auch abends mehrere Stunden länger offen, weil man ja auch Weihnachtsbeleuchtung an den Fenstern hat. Diese gehen dann zu sobald die Bewohner entscheiden ins Bett zu gehen.
An der Terrassentür ist natürlich ein zusätzlicher Sicherheitsmechanismus vorhanden. Denn solange diese offen steht, bleibt der Rollladen oben. Generell ist es auch so, sobald jemand ein Fenster aufmacht fährt der Rollladen nach oben. Fenster zu -> wieder runter ausser es ist schon wieder hell etc. oder es wird beschattet, dann wird die aktuell gebrauchte Position angefahren. Sollte man die Tür doch zu machen wollen, jedoch draußen weiterhin sitzen bleiben und zwar länger als die voreingestellte Verzögerung gibt es noch eine weitere Bedingung. Solange das Licht auf der Terrasse an ist, solange bleibt auch der Rollladen oben. So sind die Chancen sich auszusperren gleich Null.
Vorteil des Ganzen: Man muss sich keine Gedancken über die Rollläden machen. Diese sind jederzeit in richtiger Stellung und benötigen keinerlei Eingriffe durch den Menschen. Sollte der Mensch jedoch was anderes wünschen wie z.B. auf die Terrasse gehen und der Rollladen ist zu reicht es nur die Tür aufzumachen.
Licht und Schatten:
In allen nicht Wohnbereichen, also Küche, Bad, Flure etc. befinden sich Präsenzmelder. Diese schalten das Licht bei Bedarf langsam oder schnell ein oder aus. Je nachdem was gerade so los ist und welches Licht gebraucht wird. Auch hier wird ständig gemessen wie die Verhältnisse gerade sind und ob überhaupt Licht nötig ist. Tagsüber gelten andere Regeln als Abends/nachts. Somit wird die Helligkeit der Beleuchtung dem angepasst. Das Haus "weiß" auch durch Sensoren wann geschlafen wird und wann nicht und somit wird z.B. morgens das Licht auch nur gedimmt eingeschaltet. Zusätzlich bleiben die Rollläden bis zu einer gewissen Zeit in den Schlafzimmern unten, wenn denn geschlafen wird und auch die Klingel wird in der Zeit abgeschaltet.
Hier sieht man mal wieder, dass alles zusammenarbeitet.
Da wir zwei Katzen haben konnten wir leider nicht alles noch mehr automatisieren und müsse so zum Beispiel auf den beliebten Präsenzmelder unter dem Bett verzichten.
Weiterhin haben wir natürlich auch Lichtszenen wie z.B. Kino, Abendessen, Fernsehen usw. Hier werden dann nach unseren Vorlieben Lichtstimmungen erzeugt wie z.B. beim einschalten des Beamers das Haus verdunkelt oder beim Fernsehen geht die dezente LED-Beleuchtung an.
Die Räume Flur, Diele, HAR, Gäste-WC haben gar kleine Taster(Lichtschalter) Hier geht alles automatisch, auch die Gäste kommen damit wunderbar zurecht und man muss nur selten etwas erklären.
Gimmicks:
Da vieles durch die erweiterte Elektrik möglich wird, haben wir natürlich auch diverse Kleinigkeiten an die mit einer konventionellen Elektrik gar nicht zu denken ist. So z.B. eine Posterkennung sprich im Briefkasten ist ein Sensor, welcher meldet sobald etwas drin landet. Auch die Kaffeemaschine geht morgens(definierter Zeitraum) nach dem Aufstehen unten in der Küche an und macht allein frischen Kaffee.
Weitere Kleinigkeiten:
- Anwesenheitssimulation (Es wird eine tägliche Routine simuliert, kein stumpfes Ein- und Ausschalten von Lichtern etc.)
- Alarmanlage (welche im Alarmfall das Haus wild blinken lässt usw.)
- Bewegungsalarme und Klingelereignisse auf die Telefone
- Motorschloss
- Gartenbewässerung
- Zentral An/Aus (an mehreren Stellen im Haus und online)
- Diverse Statistiken und grafische Darstellungen von Temperaturverläufen etc.
- Verbrauchsmessungen
- Leckagemelder
- Stromverbrauch der einzelnen Steckdosen mit kleineren Logiken
- Müllkalender mit Meldung de jeweiligen Tonne am Tag vorher
- Visualisierung der Anlage und Zugang von Außen
usw.
Wozu das Ganze? Nun ja die Gründe sind vielfältig. An erster Stelle steht natürlich die Tatsache, dass man sich so schon ein wenig Zeit erspart. Denn man muss nicht den Lichtschalter betätigen, oder die Rollläden bedienen. Es wird alles einfach ein wenig bequemer. Man muss nicht 5 Punkte abklappern um einen Film zu sehen, sondern macht es einfach an und das Haus erledigt den Rest.
Man schafft sich so auch etwas mehr (vermeintliche)Sicherheit durch die Statusmeldungen auf das Telefon oder eine Anwesenheitssimulation. Natürlich spart man auch etwas an Betriebskosten, was dann natürlich durch noch mehr Sensoren und Geräte aufgefressen wird. Weil der Appetit bekanntlich beim Essen kommt und man dann doch die Anlagen immer wieder mal erweitert, weil einem die eine oder andere Funktion noch gefehlt hat.
Btw. unsere Anlage mit ca. 80 Teilnehmern/Geräten verbraucht schlanke 20W an Strom. Aber ein Ende ist nicht in Sicht, ich habe mir zu Weihnachten ein Homeserver gekauft. Bisher werkelte ein Raspberry Pi als Gateway zur Außenwelt und Visualisierung.
Ich habe bestimmt auch noch einiges vergessen, aber das war jetzt genug Text meint ihr nicht auch?
Hier dann noch ein Paar Bilder zur Entspannung:
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