Wild abfließendes Wasser - Was ist korrekt?

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Zuletzt aktualisiert 16.09.2024
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S

Snowy36

So ich habe mich jetzt mal durch die Gesetzestexte gewühlt, Urteile gelesen usw.

Vorher möchte ich die Geländesituation nochmal klar machen:

Über uns befinden sich 2 unbebaute Grundstücke in Hanglage, auf diese fließt auch Wasser von weiteren unbebauten Grundstücken die seitlich von diesen liegen.
Dieses Wasser versickert auf den seitlichen Grundstücken mit Lehmboden nicht vollständig, läuft dann auf die unbebauten Grundstücke, wird dann immer mehr und läuft dann zu unserem Oberlieger Nachbarn, der leider alles gepflastert hat an dieser Stelle ( was er aber darf wenn die Grundflächenzahl eingehalten ist). Er hat an dieser Stelle einen Sickerschacht der schnell überfordert ist und so läuft das Wasser auf die Rasenfläche hinter unserem Haus. Der nächste (Unterlieger) Nachbar hat nun eine Mauer gezogen (ca. 40 cm), gegen die sich dieses ganze Wasser nun staut. Bei starken Regenfällen würde das Wasser somit nun in unseren Keller laufen. Gegen diese möchte er nun von seiner Seite aus anfüllen, das ist aber schon laut Bebauungsplan nicht erlaubt. Der Plan hat übrigens auch den Anschluss der Kellerschächte an den Kanal verboten, nicht jeder hat sich daran gehalten. Oben drauf auf die Konstruktion soll dann noch eine Hecke (die ja wieder das Wasser am Abfließen hindern würde, wenn sie mal ausgewachsen ist).

Im Wasserhaushaltsgesetz (WHG) ist wild abfließendes Wasser so definiert:

Entsprechend § 3 Nr. 1 WHG ist oberirdisches Wasser zu verstehen, das aus Quellen den natürlichen Geländeverhältnissen folgend wild abfließt, also noch kein Wasserbett gebildet hat. Zusätzlich bestimmt § 37 Abs. 4 WHG, dass die Abs. 1 bis 3 auch für wild abfließendes Wasser gelten, das nicht aus Quellen stammt. Zusammenfassend ist wild abfließendes Wasser also wie folgt zu definieren:

Unter wild abfließendem Wasser ist Oberflächenwasser außerhalb eines Gewässerbetts zu verstehen, das entweder aus Quellen stammt oder sich als Niederschlags- oder Schmelzwasser auf dem Boden sammelt und dem Geländeniveau folgend abfließt.

Darunter würde ich nun also unser Wasser zählen. @Tolentino: Es ist auch gerade kein Abwasser, da habe ich mich auch belesen

Zusammengefasst enthält § 37 Abs.1 WHG dann die Verbotsregelungen zum Wasserabfluss zwischen Ober- und Unterliegern.
Ein Eigentümer darf den Ablauf des wild abfließenden Wassers grundsätzlich künstlich nicht so ändern, dass das tieferliegende Grundstücke dadurch belästigt wird und andersherum.

Wenn mein Unterlieger Nachbar also mit einer Konstruktion das Wasser anstaut, ist das nicht erlaubt.

Ich bin natürlich auch kein Anwalt, Wahnsinn auch wie man sich da durchwursteln muss das alles zu verstehen.
 
F

Fuchur

Entsprechend § 3 Nr. 1 WHG ist oberirdisches Wasser zu verstehen, das aus Quellen den natürlichen Geländeverhältnissen folgend wild abfließt,
Dann stelle ich mal ganz ketzerisch die Frage, ob die erfolgte Bebauung der Grundstücke die natürlichen Geländeverhältnisse und/oder den Wasserabfluss vor der Bebauung nicht zumindest geringfügig verändert hat. Dann wären es nämlich schon keine natürlichen Geländeverhältnisse mehr und die ganze Argumentationskette bricht zusammen.
 
Tolentino

Tolentino

Hmm.
Ich komme mit den gleichen Quellen zu völlig anderen Schlüssen, sorry.
Angefangen bei eurem Oberlieger-Nachbar sind das ja alles bebaute Grundstücke und selbst die anderen beiden Grundstücke könnten sogar befestigt sein, das geht jetzt aus der Beschreibung nicht hervor. Aber es ist jedenfalls kein natürlicher Geländeverlauf und sich natürlich sammelndes Wasser mehr.
Gegenüber dem Oberlieger habt ihr das Recht zu verlangen, dass er, wie auch immer (Sickerschacht ertüchtigen, Versiegelungsgrad verringern) verhindert, dass das Abwasser (= u.a. Niederschlagswasser von bebauten oder befestigten Grundstücken) seines Grundstücks nicht auf euer Grundstück entwässert.
Ich glaube weiterhin, dass ihr dafür Sorge tragen müsst , dass euer Abwasser nicht auf das Grundstück euren Unterliegers entwässert.
Letztlich musst du entscheiden, wie du dich jetzt verhältst. Vielleicht nen Nachbarschaftsrat mit allen Beteiligten einberufen?

Fuchur war schneller...
 
Tolentino

Tolentino

Es scheint mir du hast auch auf einer einschlägigen Rechtsplattform gelesen. Evtl hast du den Artikel von Herrn Hans-Albert Wegner nicht zu ende gelesen da steht nämlich explizit:
Wichtig
Natürlicher Wasserkreislauf
Entscheidend ist in jedem Fall, dass es sich um Oberflächenwasser handelt, das tatsächlich wild aus einer Quelle abfließt oder sich zunächst einmal natürlich ansammelt, um dann aufgrund des Gefälles abzufließen. Deshalb wird Wasser, das nicht zum natürlichen Wasserkreislauf zählt, wie etwa das aus geborstenen Leitungen austretende Wasser, ebenso wenig von § 37 WHG erfasst, wie Niederschlagswasser, das von bebauten oder befestigten Flächen gesammelt abfließt. Denn Letzteres ist gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 2 WHG Abwasser, für das die besonderen Regelungen der §§ 54 bis 61 WHG gelten.
 
S

Snowy36

Also danke erst mal für Eure Einwände , welche mir beim Lesen der Gesetze teilweise auch schon gekommen waren. Anbei meine Gedanken dazu:

Dann stelle ich mal ganz ketzerisch die Frage, ob die erfolgte Bebauung der Grundstücke die natürlichen Geländeverhältnisse und/oder den Wasserabfluss vor der Bebauung nicht zumindest geringfügig verändert hat. Dann wären es nämlich schon keine natürlichen Geländeverhältnisse mehr und die ganze Argumentationskette bricht zusammen.
Also die ersten beiden Grundstücke sind unbebaut, somit ja nicht verändert. Wenn dann muss ich also den Oberlieger ansehen, der hat auf das natürliche Gelände gepflastert, es ist also nicht mehr ganz natürlich. Er müsste nach meinem Verständnis also das Wasser was da nicht versickert wegen dem Pflaster selber entsorgen, macht er ja auch über den Sickerschacht. Aber der Schacht kann nicht das Wasser von 2 unbebauten 1400 qm Grundstücken aufnehmen. Die Quelle ist weiterhin in den unbebauten Grundstücken zu suchen. Diese bleiben noch mindestens 10jahre frei . So lange können wir nicht warten.

Es scheint mir du hast auch auf einer einschlägigen Rechtsplattform gelesen. Evtl hast du den Artikel von Herrn Hans-Albert Wegner nicht zu ende gelesen da steht nämlich explizit:
ja genau dort habe ich nachgelesen. Leider kann man den Artikel ohne hohe Kosten nicht bis zum Ende lesen, denn der Punkt "1.2.3 Veränderungen des Wasserabflusses als Folge einer veränderten wirtschaftlichen Grundstücksnutzung" hätte mich auch noch interessiert. Da gibt es Urteile wo ein Oberlieger eine Garage weggerissen hat und seit dem läuft Wasser rüber zu den Unterliegern. Die Unterlieger haben mit Ihrer Klage damals verloren weil es hieß der Oberlieger kann jederzeit neu bestimmen wie er sein Grundstück nutzt. Wenn er keine Garage mehr drauf hat die das Wasser zurück hält : Pech.

Also nochmal zu unserem Fall: das Wasser vom Oberlieger dass aufs Pflaster fällt würde ich unter Niederschlagswasser von bebauter Fläche einordnen. Aber das Gros an Wasser ist von unbebauten Grundstücken , die sind also ja nicht befestigt.
-------------
Dann greift Paragraph 37.

Wir müssen uns natürlich alle einigen , keiner hat Lust auf Rechtsstreite oder volle Keller.
 
Tolentino

Tolentino

In der Zeitschrift für Umwelt und Planungsrecht steht folgendes:
[...] Gleichwohl kann sich dieses Wasser von Niederschlägen auf unbefestigten Flächen zu wild abfließendem Wasser entwickeln, namentlich dann, wenn etwa das Oberlieger-Grundstück das Wasser aus Niederschlägen nicht mehr durch natürliche Versickerung aufnehmen kann und es in der Folge hierzu auf das Unterlieger-Grundstück fließt und dort zu Feuchtigkeits- und Nässeschäden (auch an Bauwerken) führt.11 Diese Situation kann sich z. B. bei Oberlieger-Grundstücken ergeben, wenn sich unter diesem Grundstück mehrere Meter starke Lehmschichten befinden, so dass das Wasser von Niederschlägen eine lange Zeit braucht, um auf natürliche Weise zu versickern und das Wasser aus den Niederschlägen auf der Geländeoberfläche des Oberlieger-Grundstücks stehen bleibt (weil der Boden gewissermaßen bereits mit Wasser wie ein Küchenschwamm gesättigt ist) und dann das auf der Oberfläche stehende Wasser wegen eines gleichzeitig vorhandenen Gefälles auf das Unterlieger-Grundstücks fließt. Bei diesem Sachverhalt muss das wild abfließende Wasser notfalls abgeleitet werden oder – wenn möglich – in Versickerungsmulden als Zwischenspeicher zwischen dem Über- und Unterlieger-Grundstück aufgefangen werden.[...]
Also die jeweiligen Nachbarn könnten zusammen, quasi auf der gemeinsamen Grenze Versickerungsmulden anlegen.
Weiters stelle ich mir vor das jeder Grundstückseigentümer für sich dann auf seinem Grundstück quasi ein "Bett" um sein Haus herum anlegen könnte, dass dann wiederum auf der hangabwärts nächsten Grenze in die nächste Versickerungsmulde mündet. Wenn alle mit anpacken und bei jedem alle mithelfen geht das evtl recht fix.
Den anfallenden Schutt muss dann der Bauer eben bei sich verteilen. Dann hat er auch was dazu getan.
 
Zuletzt aktualisiert 16.09.2024
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