Vielleicht kann ich hier noch eine etwas andere Perspektive beisteuern, da wir direkt in München bauen und ich das Gefühl sehr gut kenne, extrem schnell mit ungewohnten Geldmengen umgehen zu müssen. In unserem Fall noch etwas abrupter, da der Hintergrund eine nicht erwartete, und sogesehen eine definitiv nicht zu diesem Zeitpunkt erwünschte Erbschaft durch einen nahen Angehörigen war. Wir hätten uns entscheiden können, nach wie vor die "kleinen Brötchen" zu backen, wie es hier auch mal in einem anderen Thread zum Thema München vorgeschlagen wurde, hätten uns damit auch erst mal wohler gefühlt, auf lange Sicht wollten wir aber in der Stadt (nun am äußersten Stadtrand) bleiben und ganz ehrlich, man muss sehr weit weg von München ziehen, um überhaupt ein wirklich kleiner werdendes Brötchen zu finden. Selbst in meinem Heimatlandkreis Erding (Dorfen) mit 40-60 Minuten Fahrzeit in die Stadt kosten freistehende Einfamilienhäuser knapp unter einer Million, die Dimensionen sind hier leider tatsächlich mittlerweile absurd im Vergleich zu ländlichen Regionen in anderen Bundesländern.
Es ist also bei euch wie bei uns eine rein emotionale Entscheidung, rational gesehen wisst ihr längst, dass ihr das Haus durch sehr hohes Eigenkapital, gutes Gehalt und zu erwartende Erbschaften (die hoffentlich noch lange auf sich warten) finanzieren könnt und aus Erfahrung kann ich euch mitgeben, dass man in die neuen Dimensionen sehr schnell reinwächst, zu einem gewissen Grad geht das jedem Häuslebauer ja so, auch wenn für den einen ein Kredit von 200.000 erstmal schlaflose Nächte bereitet, während das für den anderen im Münchner Raum erst weit höhere Summen sind ab dem es einem mulmig wird. In eurer Lage in einer Mietwohnung zu bleiben, wenn man sich nach Garten und Platz für die Kinder sehnt, würde mir da gar nicht in den Sinn kommen.
Ich persönlich bin eher Risiko- und Freiheitsorientiert und mag es nicht, anderen etwas schuldig zu sein. Daher haben wir uns als Paar für die Variante entschieden, so wenig wie möglich über die Bank laufen zu lassen, selbst wenn das Aktiendepot wahrscheinlich mehr Rendite abwirft als uns die Zinsen kosten würden. Der Kredit ist klein, läuft vergleichsweise kurz und wir fühlen uns damit wohler und freier, andere scheuen sich davor, fest angelegtes Geld flüssig zu machen und wollen lieber 30 Jahre überschaubare Raten abzahlen, beides ist möglich und sehr individuell. Und was das "Auf dem Boden bleiben" betrifft: Wir halten das genauso wie ihr, ich habe nun Vermögen, mein Partner seit Jahren ein sehr gutes Gehalt, wir bauen trotzdem ein für uns sehr schönes aber (abgesehen vom Standort) doch normales Haus, gönnen uns Extras die wir unbedingt wollen (Kamin, einige schöne Küchengeräte, tolles Parkett, hochwertige Bäder und schöne Fliesen) und verzichten auf Dinge, die es uns nicht wert sind oder die wir überteuert finden, sprich kein KNX, riesigen Glasfenster, keine Holz-Aluminium-Fenster, Schreinereinbauten und keine gemauerte Garage. Wir sind beide ländlich aufgewachsen und bodenständig erzogen worden, das führt dazu, dass wir einfach so weiter leben wie vorher und beim Hausbau genau wie immer überlegen, was uns wirklich wichtig ist und was tatsächlich schöne Erinnerungen und mehr Lebensqualität schafft. Ich würde mir an eurer Stelle also keine Sorgen machen, dass ihr automatisch die Bodenhaftung verliert, nur weil auf dem Zettel für das Haus jetzt diese magische Million Zahl drauf steht, die Kosten von unserem ganzen Bauprojekt wissen nur eine Hand voll Leute, für alle sind wir die gleichen Menschen wie vorher, die immer noch beim Aldi einkaufen, einen 15 Jahre alten und heiß geliebten VW Polo fahren und sich sehr bewusst sind, dass man mit Geld Dinge und Freiheiten, aber nie Glück und Zufriedenheit kaufen kann.
Um es aber auf die Finanzierung zurückzubringen: Seid stolz auf euren beruflichen Erfolg und das damit einhergehende Gehalt und dankbar für den finanziellen Background der Familien, der euch immer im Vergleich zu sehr vielen Häuslebauern ruhig schlafen lassen kann. Ich würde mir den Traum vom Haus auf jeden Fall erfüllen und eher auf der Baukostenseite genauer hinschauen, um mehr Sicherheiten zu gewinnen. Wir haben z.B. in Leistungsphase 1-4 auch mit einem Architekten geplant, weil wir dachten, unser Wunsch nach einem Mix aus Stadtvilla und amerikanischem Haus würde das nötig machen, im Nachhinein hat unser Architekt nur noch sehr wenig zu unserem von uns erstellten Grundriss beigetragen, diese 18.000 Euro und 3 Monate Planungszeit hätten wir uns mehr als gern gespart, einen Bau mit Einzelvergabe hätte ich mir in München nie vorstellen können, da es ewig dauert, überhaupt Angebote einzuholen und bei allem ein extra München-Aufschlag draufgepackt wird. Solltet ihr also noch frei in der Entscheidung sein und kein super individuelles Architektenhaus wollen, würde ich mir noch alternative Angebot von Fertighausanbietern und regionalen Massivhausanbietern einholen, die diesen München/Bayern Aufschlag nur einmal draufpacken und die ganzen Koordinierungsarbeiten für einen übernehmen und garantieren, dass das Haus auch in einem Jahr mal fertig wird:)