Nunja, jeder Entwurf - egal wie schlecht - beinhaltet ja die Wünsche des TEs. Insofern startet man hier so gut wie nie bei Null.
Natürlich startet man nicht bei "Null", aber in einen zweiten Anlauf eines Vorentwurfes ganz entscheidend bei "null Vorbelastung durch Impfung mit Resten eines mißlungenen Vorgängers". Ein eingefallenes Soufflé versucht man nicht weiter zu verarbeiten, von einer versalzenen Suppe macht man keinen Fond, und schimmliges Brot hat in einem Frikadellenteig nichts zu suchen. Man startet in die Leistungsphase 2 mit den Erkenntnissen aus der Leistungsphase 1 (und der Finanzierungsberatung) über die Rahmenbedingungen und dem Raumprogramm sowie einer Liste, in der Bedarfe und Wünsche wie Eiklar und Eigelb getrennt sind. Hausplanung ist schließlich kein Partyspaß wie Bleigießen, und die meisten Bauwilligen sind aus Budgetgründen auf ein methodisches Vorgehen sogar angewiesen.
Ja, schön wär's sicher, aber die meisten Bauherren können froh sein, wenn sie überhaupt jemand berät. 99% der Entwürfe sind aus Schublade links unten mit drei Strichen noch was dran geklebt und sinnlos aufgebläht ohne wirklich ein eigenes Konzept zu erstellen. Die Beratung beim Architekten, wie wir es uns erträumen, ist doch erst ab Budget >1Mio realistisch.
99% der Bauwilligen können sich sinnlose Aufblähungen gar nicht leisten, konzeptloses Vorgehen (Eigen-Einzelvergabe ibs. als erstgebärende Bauherren) ist ein todsicherer Weg zu ausufernden Baukosten. Ein deutliches Dreiviertel benötigt keinen Individualentwurf im Sinne eines Unikat-Ballkleides, weswegen ich für meine Ratnehmer auch bevorzugt (leider kommen manche schon mit Entwürfen) mit Vorentwürfen auf die Jagd nach passenden Verwirklichen gehe.
Deine Version des Vorentwurfes mit tagelanger Beratung und monatlicher Reifephase bleibt für den Durchschnitts-Bauherren m.E. Utopie.
Die Architektengespräche für ein Einfamilienhaus einer Normalfamilie (2E2K) von 130 bis 160 qm dauern für die gesamte Leistungsphase 2 insgesamt maximal einen halben Arbeitstag, größer bzw. mit Einliegerwohnung entsprechend länger. Die Teigruhe von ideal etwa sechs Wochen ist ein Zeitraum, keine Arbeitszeit. Sie ist eine Trauerphase für den Abschied von überzähligen Ideen und eine Reflexionsphase über die Frage, wie gut man u.a. die "Chemie" zwischen Baufamilie und Planungsperson bewertet. Der Architekt ist Trauzeuge und Taufpate des Eigenheimes. Während der Teigruhe nimmt der freie Bauberater die Weichenstellung vor, mit deren Ergebnis man dann wieder zum Architekten geht und entsprechend die Leistungsphase 3 oder das ganze "Modul B" erarbeitet. Das Ergebnis der Teigruhe mit Weichenstellung besteht nicht nur in der Bauweisenentscheidung(shilfe), sondern auch in alternativen Bauvorschlägen. Der Architekt muß also mitnichten automatisch den individuellen Vorentwurf weiter reifen, sondern die Grundlage seiner weiteren Arbeit ist gar nicht selten ein alternativer Bauvorschlag (Typenhaus, Katalogentwurf), der nun von kundiger und bauherrenparteiischer Hand (also nicht vom auftragsinteressierten Bauunternehmer) angepaßt wird.
Ich beschreibe hier meine Vorgehensweise als bauweisenneutraler Berater. Mehrere Kollegen mit Schwerpunkt "Fertig"haus oder gar Spezialisierung darauf nenne ich hier ja regelmäßig. Bei denen wird das Element "Weichenstellung" dann naturgemäß entfallen, ansonsten muß man deren jeweilige übliche Vorgehensweise bitte bei denen selbst erfragen.
In reinen Hauspreisen / Baupreisen zzgl. Außenanlagen gesprochen, dominieren bei meinen Ratnehmern diejenigen der Gruppe 400k über diejenigen der Gruppe 500k. Millionäre sind auch dabei, aber auch und gerade die mögen überhaupt kein Geld für Planungsversäumnisse ausgeben. "Meine" Architekten werden daher nicht zuletzt nach Budgettreue gecastet, "
@Gerddieter warnt" Knallchargen sind keine darunter. Ins Branchenbuch schauen könnten die Bauwilligen schließlich auch selbst.