Abwägung: Erbbaurecht vs. Grundstückskauf / Renovieren

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H

Hitokiri-1978

Hallo zusammen,

ich muss ein bisschen weiter ausholen. Wir kommen aus dem nördlichen Umland von München (Nordallianz). Wir hatten erstmals 2018 erfahren, dass unsere Gemeinde (wo wir in einer Mietwohnung leben) 3 Neubaugebiete im Einheimischen Modell ausschreibt. Es gab diverse Infos, Bebauungspläne, qm-Preise samt Abschlägen usw. Alles wunderbar, wir hatten auch schon erste Finanzierungen an der Hand. Dann 2020 kam der "Hammer." Die neuen Bodenrichtwerte wurden verkündet und waren um 34 % in der Hauptgemeinde und im Ableger sogar um 74% !! im Vergleich von vor zwei Jahen gestiegen, eher explodiert.

Ende 2020 hieß es dann von seiten der Gemeinde, dass nun mehr die Gebiete bzw. Parzellen nicht mehr verkauft sondern nur noch im Erbbaurecht (Erbpacht) vergeben werden. Kurz vor Weihnachten dann sickerten die Konditionen heraus.

Erbpachtlaufzeit: 75 Jahre
Selbstnutzungsplficht: 20 Jahre
Erbzins: 12,50 Euro/qm pro Jahr (bzw. 13,50 Euro im Ableger)

Das bedeutet, dass ich frühestens nach 20 Jahren das Haus verkaufen darf und dann aber dem Käufer nur 55 Jahre Restlaufzeit für die Erbpacht in Aussicht stellen kann. Zudem, will man bei überhöhten Verkaufspreisen ein Veto einlegen :(

Ehrlich gesagt, wurde meine Stimmung dabei immer schlechter und schlechter. Der einzige große Vorteil wäre, wir würden in unser Heimatgemeinde bleiben könnten, weiterhin zum gewohnten Sport hingehen, die Bekannten meiner Frau aus der Musik- und Tanzschule usw. treffen und hätten es zu meinen Eltern und meinen Brüdern noch rel. nahe.

Oder aber die Alternative:

Wir suchen auf eigene Faust oder mit Makler oder Hausbaufirmen nach einem passenden Grundstück ggf. einen Altbestand zum Abreißen oder renovieren, wobei ich bei letzterem arge Bauchschmerzen hätte. Ich hätte schon gern was gut planbar neues. Nur... Grundstücke (zum Bebauen sind, auch schon vor Corona aber jetzt erst recht) sehr rar und wenn dann in Kuhdörfern mit nicht mal 100 Einwohnern und keiner Infrastruktur. Wir brauchen weil Kind Nr. 1 schon da ist und in 2-3 Jahren Nr. 2 folgen soll einfach mehr Platz, einen Kindergarten samt KITA, Grundschule, vernünftige Einkaufsmöglichkeiten, ja den schönen gewohnten "Luxus" den wir jetzt hier auch haben. Und ja... unser Budget liegt bei ca. 500.000 für alles. Grundstücke alleine sind aber meist unter 250k nicht zu finden.

Zur "Not" müssten wir also richtig weit weg, Richtung Regensburg, Deggendorf usw. hin, weil es dort noch bezahlbaren Boden gibt.

Das ist wieder wie die Wahl zwischen Pest und Cholera. Was sollen wir machen? Im Erbbaurecht hier bleiben und mieserable Konditionen eingehen und sich für 20 Jahre binden und am Ende mit einem ruinösen Haus da stehen, dass keiner will oder in die Pampa ziehen dort das gleiche Haus bauen, aber immer ewig mit dem Auto fahren und von allem getrennt leben. Wir wollen auch gar nicht in eine große Stadt ziehen, so ein Vorort mit 10-20.000 Einwohner im Speckmantel einer größeren Stadt wäre ideal.

Eure Tipps?

Viele Grüße,
Harry
 
N

nordanney

Das bedeutet, dass ich frühestens nach 20 Jahren das Haus verkaufen darf
ganz langsam. Es bedeutet, dass 20 Jahre ein Selbstnutzer im Haus wohnen muss und es nicht zur Vermietung ansteht. Du kannst es ruhig nach acht Jahre verkaufen.
Zudem, will man bei überhöhten Verkaufspreisen ein Veto einlegen :(
Wie sind überhöhte Verkaufspreise definiert? Normal ist der Preis der, der sich durch Angebot und Nachfrage ergibt. Überhöhte Preise werden nicht bezahlt - sonst würde sie ja keiner bezahlen.
Der einzige große Vorteil wäre, wir würden in unser Heimatgemeinde bleiben könnten, weiterhin zum gewohnten Sport hingehen, die Bekannten meiner Frau aus der Musik- und Tanzschule usw. treffen und hätten es zu meinen Eltern und meinen Brüdern noch rel. nahe.
Was wäre der Nachteil?
Wir suchen auf eigene Faust oder mit Makler oder Hausbaufirmen nach einem passenden Grundstück ggf. einen Altbestand zum Abreißen oder renovieren, wobei ich bei letzterem arge Bauchschmerzen hätte.
Das ist immer die Alternative, wobei Abriss und Neubau nicht immer günstig wird.
Und ja... unser Budget liegt bei ca. 500.000 für alles. Grundstücke alleine sind aber meist unter 250k nicht zu finden.
Dann solltet Ihr Euch mal ganz schnell nach einer größeren Mietwohnung umschauen. Bei T€ 250 fürs Haus bleiben 80-90qm Wohnfläche über.
Im Erbbaurecht hier bleiben und mieserable Konditionen eingehen und sich für 20 Jahre binden und am Ende mit einem ruinösen Haus da stehen, dass keiner will
Du hast einfach kein Bock auf Erbbaurecht. So schreibst Du zumindest, ohne Dich intensiv damit beschäftigt zu haben. Zur 20 Jahresbindung habe ich schon was gesagt. 55 Jahre Restlaufzeit des Erbbaurechts ist absolut kein Kriterium gegen einen Kauf. Jeder Käufer ab 30 erlebt das Ende des Erbbaurechts schon nicht mehr.
Außerdem gibt es bei Ablauf eine Entschädigung - das wird sich in 75 Jahren die Gemeinde nicht leisten können, aus allen Baugebieten die Häuser zu entschädigen (macht auch heute schon niemand).

Ob die 12,50€ p.a. je qm günstig oder miserabel sind, kann ich Dir nicht sagen. Dazu müsste man den Bodenwert kennen. Ich würde so um 350-400€ den qm tippen, oder?
 
Nordlys

Nordlys

Ihr müsst um 650,- p.a. im Münchner Raum für ein Stück Land hinblättern? Könnt darauf euer Haus bauen und habt ein dreiviertel Jahrhundert Ruhe? Und ihr zögert? Was wollt ihr noch?
 
I

icandoit

Ihr müsst um 650,- p.a. im Münchner Raum für ein Stück Land hinblättern? Könnt darauf euer Haus bauen und habt ein dreiviertel Jahrhundert Ruhe? Und ihr zögert? Was wollt ihr noch?
Wo hast dass denn her?

650 / 12.5 = 52 m2 auf so kleinen Grundstück kann man nicht mal in Muenchen bauen.
 
Nordlys

Nordlys

Oh verrechnet 500 mal 12,50 gibt 6250,- Stimmt. Dennoch täte ich es. Was kostet denn so ein Grundstück bei Euch? 250 tsd. und mehr? Da bleibtbja nichts fürs Haus. Ihr zahlt bei 6250 der Gemeinde 470 tsd. knapp. Das ist dann doch fair. Denn der Pachtpreis wird fix sein, das Grundstück ist in 75 Jahren ggf. eine Million und mehr wert.
 
H

Hitokiri-1978

Du hast einfach kein Bock auf Erbbaurecht. So schreibst Du zumindest, ohne Dich intensiv damit beschäftigt zu haben.
Beschäftigt ja. Intenstiv schon, aber nicht bis ins letzte Detail, was ja auch der Grund ist warum ich hier die Profis frage.

Direkt aus dem Münchner Merkur:
"Der Pachtzins beträgt 1,5 Prozent. Für die Kalkulation des Erbpachtzinses gilt, wie im Februar 2020 beschlossen, ein 40-prozentiger Nachlass vom Bodenrichtwert in Höhe von 1500 Euro einschließlich der rechnerischen Erschließungskosten von 150 Euro, woraus sich ein jährlicher Erbpachtzins von 12,15 Euro pro Quadratmeter ergibt." Macht bei einer 280qm Parzelle für eine Doppelhaushälfte 3.500 Euro im Jahr.

Du hast einfach kein Bock auf Erbbaurecht.
Das hat mit "kein Bock" nichts zu tun! Also was stört mich am Erbbaurecht insbesondere unter diesen Konditionen:

1. Ich erwerbe kein Grund-u.Boden, also das was mindestens seinen Wert erhält (sofern ich nicht jedes Jahr mein Altöl im Garten ausgieße), sondern wird über viele Jahre wohl mehr Wert sein als heut. Gleiches gilt nicht für das Haus. Das wird im Zweifel eher weniger wert, durch die Abnutzung. Ergo verliere ich den finanziellen Vorteil der Kombi Grund+Haus bei diesem Model.

2. Du sagst ich könnte also einfach so nach z. B. 7 Jahren verkaufen. Warum heißt es dann "Eigennutzungspflicht" ? Aber selbst wenn. Hier mal ein Auszug aus der Gemeindesitzung vom 15.12.2020:
"Auch hier ist der Erbbaurechtsnehmer Eigentümer seiner Immobilie und kann diese nach Ablauf der Eigennutzungsperiode jederzeit auf dem freien Markt veräußern. Allerdings behält sich die Gemeinde als Erbbaurechtsgeber in den Erbbaurechtsverträgen vor, ihre erforderliche Zustimmung zum Verkauf dann zu verweigern, wenn der Verkaufspreis den Wert der Immobilie (ohne Grundstück, da Erbbaurecht) „erheblich übersteigt“. Dass diese Klausel in den Verträgen rechtens ist, wurde jüngst durch das Oberlandesgericht München mit Urteil vom 18.11.2020 in einem Referenzfall der Gemeinde bestätigt. Somit ist für diese Praxis Rechtssicherheit gegeben. "

Und darauf bezieht man sich:
) Erbbaurechtsverkauf der Eheleute XXX: Der Vorsitzende informiert über den nun erlassenen Beschluss des OLG München vom 18.11.2020. Mit diesem Beschluss hat das OLG der Beschwerde der Gemeinde Eching gegen den Beschluss des AG Freising vom 28.05.2019, mit dem dieses auf Antrag der Eheleute XXX die von der Gemeinde verweigerte Zustimmung zum Kaufvertrag vom 28.09.2018 ersetzt hatte, stattgegeben und hat deren Antrag zurückgewiesen. Das OLG hat die Rechtsbeschwerde gegen seinen Beschluss nicht zugelassen, der damit rechtskräftig ist. Die Gemeinde Eching kann daher jetzt von der Unwirksamkeit des Kaufvertrags vom 28.09.2018 ausgehen. Welche Folgerungen die Eheleute XXX nun hieraus ziehen, bleibt abzuwarten. Mit dieser Entscheidung hat die Gemeinde bei künftigen Erbbaurechtsbestellungen zu Vergaben nach dem Baulandmodell mehr Rechtssicherheit für erforderliche einschränkende vertragliche Regelungen."

Uff... kurz gesagt, selbst wenn ich nach wieviel Jahren auch immer mein eigenes Hab und Gut mein Haus, dass worin ich viel Geld und Zeit investiert habe zu einem guten Preis verkaufen will, kann mir die Gemeinde einen Strich durch die Rechnung machen. Alleine das schon, finde ich extrem unattraktiv für dieses Model.

3. So wie ich es bisher verstanden habe, muss ich die Gemeinde bei jeder Änderung (sei es nur ein läppisches) Gartenhäuschen um Erlaubnis fragen. Super! :mad:

4. Bleiben wir dennoch bei den 20 Jahren, Selbstnutzungspflicht. Wenn ich dann verkaufe, hätte ein Käufer nur noch 55 Jahre Restlaufzeit. Ja du hast geschrieben, die Gemeinde wollen dann nicht auflösen. Nur wer weiß was in 20 Jahren ist und ob die das nicht doch so machen und ich ein Haus, stark unter Wert habe, dass keiner will?

Dann solltet Ihr Euch mal ganz schnell nach einer größeren Mietwohnung umschauen. Bei T€ 250 fürs Haus bleiben 80-90qm Wohnfläche über.
Die Rechnung versteh ich nicht. Im Übrigen sind die 500K ein grober Richtwert. Er hängt auch stark damit zusammen wieviel Eigenkapital letztlich haben werden. Es wird aber nur zwischen 30-50 K liegen. Leider. Nichts desto weniger. Mietwohnungen oder gar Häuser kosten bei uns in der Region (z. B. Eching) min. 1800 (kalt) eher aber um die 2.200-2.500 (kalt). Wir haben für uns für das Darlehen eine Tilgungsrate von 1.500 Euro als machbar gesehen. Bis zu 570.000 Euro würden wir auch von einer Bank finanziert bekommen. Dazu käme ja aber auch noch ggf. der KFW Kredit, wobei ich dann ja die Kreditsumme davon wiederum vom Bankkredit abziehen würde.

Aber ja... es ist schon sehr Spitz auf Knopf. Und ein Fertighaus (das wir anpeilen um die 300.000, abzüglich diverser Eigenleistungen, Malern, Schleifen, Türen hängen, ggf. Böden+Fliesen) + Grundstück wird aber leider, dass kann man ja jetzt schon sehen nicht im Umkreis von 50 km von Eching machbar sein. Wer weiß wie weit wir dafür wegziehen müssten. Schon klar, andere Leute wandern auch gänzlich in ein neues Land, ohne dort jemanden zu kennen, aber mir fällt das schon schwer. Wieder andererseits... ich bin 42 J. alt, meine Eltern 70 bzw. 78 und in einigen Jahren wird das Argument der Nähe zu ihnen auch obsolet sein :(

Ich hab einfach das Gefühl, egal was wir machen, es ist ein Fehler. Nichts machen wäre aber auch ein Fehler und dann gäbe es Kind Nr. 2 auch nicht.
:(
 
Zuletzt aktualisiert 22.12.2024
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